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Wegweisend. Das Comic-Manifest wurde im September 2013 in Berlin vorgestellt.

© lvt

Internationaler Comic-Salon 2104: Prädikat besonders förderwürdig?

Eröffnet das Label „Graphic Novel“ dem Comic eine strahlende Zukunft? Bedarf es einer stärkeren Comic-Förderung? Diskussionsrunden auf dem Internationalen Comic-Salon eruierten die Perspektiven der Kunstform.

Die Graphic Novel ist der Dickhäuter unter den Comics. Groß und grau steht er da im Raum, nimmt den gesamten Platz ein und möchte gefälligst diskutiert werden. Wie es ihm geht, ob er gedeiht oder ob er sich mittlerweile überfressen hat, das sollten die Verlagsvertreter auf der Elefantenrunde auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen klären, der an diesem Sonntag zu Ende geht. Die Eingangsstatements zeigen, dass ihnen die schwammige Schablone die Tür zum Buchhandel und das Tor zu den Feuilletons geöffnet hat. Neue Kunden kaufen Graphic Novels und Journalisten müssten keine schmuddeligen Comic-Heftchen mehr aufgeschwatzt werden.

Trotz dieses Erfolgs wollen Auflagen genau kalkuliert sein, da jeder noch so comicfremde Verlag, wie z.B. Suhrkamp, heutzutage seine eigene Graphic Novel veröffentlicht. Der Markt ist – da sind sich die Verlagsvertreter einig – noch lange nicht übersättigt. Dennoch gilt es, Nischen auszuloten und politische und sozialkritische Themen abzudecken. Die Graphic Novel bekommt das Prädikat „besonders wertvoll“.

 Ein Ziegelstein als Türöffner nach Europa

Wertvoller ist aber der natürlich gewachsene deutsche Comic. Mit „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ von Ulli Lust, die am Freitagabend als beste deutsche Comiczeichnerin mit dem Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet worden war, ist Deutschland zum bekannten Lizenzgeber auf dem internationalen Comicmarkt geworden. Der Avant-Verlag hat seine Publikation bereits in zwölf Länder verkauft. Als Resultat dieser nachhaltigen Entwicklung sitzen immer mehr deutsche Künstler auf europäischen Comicfestivals und werden von den Kollegen anerkannt.

Auch die Frage nach dem E-Comic steht neben dem Elefanten im Raum. Wieder zeigt sich die Bandbreite, aber auch die Uneinigkeit über Formate und unterschiedliche Vertriebswege. Und wieder droht der böse amerikanische Player Amazology (Comixology und Amazon) Bei Panini Comics ist man sich der Gefahr bewusst und bläst mutig zur E-Comic-Gegenoffensive, möchte aber, dass alle deutschen Verlage eine gemeinsame Lösung finden. 

Auf die abschließende Bemerkung von Moderator Volker Robrahn, dass scheinbar goldene Zeiten für den deutschen Comicmarkt angebrochen sind, weiß kein Gast wirklich zu widersprechen. Den Verlagen scheint es gut zu gehen. 

Vom Fördern und Fordern

 Wenn es den Verlagen doch so gut geht, warum braucht es dann eine Comic-Förderung? Diese Frage stellte sich der Comicautor Flix in einer anschließenden Diskussionsrunde. Vehemente Antworten gaben ihm Johann Ulrich, Jens Meinrenken, der erste Vorsitzende des neuen gegründeten Comicvereins zur Pflege der Kunstform, und Ulrich Schreiber vom Internationalen Literaturfestival Berlin.

Im vergangen Jahre hatten die beiden, gemeinsam mit der anwesenden Künstlerin Aisha Franz und vielen anderen Comicschaffenden, in einem Manifest laut nach mehr kultureller Anerkennung seitens staatlicher Stellen gerufen – und nach mehr Geld. Es gehe darum, Hoch- und Subkultur zu fördern, Comics und Graphic Novels einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren und um Geld. Das „Haus“ zur Pflege der Comics soll auf drei Säulen gebaut sein: Förderung, Theorie und Pädagogik. Die Comic-Szene reagierte mit geteilter Meinung.

Prinzipiell eine sinnvolle Sache, meint Comiczeichner Flix, der als Agent Provocateur geladen war. Aber sollen Verlage wirklich gefördert werden, um Comic-Projekte zu finanzieren, die sich sonst nicht rechnen würden. Hatte Johann Ulrich nicht in der Elefantenrunde auf die Nachhaltigkeit von Lusts Erfolg gepocht und auf genaue Kalkulationen hingewiesen? Auch wenn die Empörung über Flix’ Äußerung laut wurde, gilt es zu verstehen, dass er nichts gegen mehr Museen, mehr Festivals, mehr Lesebühnen und mehr Öffentlichkeit hat. Auch er möchte den Comic in der deutschen Gesellschaft verankern. Der neue Verein könnte für die Beschaffung von Mitteln für eben solche Projekte tätig sein.

 Damit der Leuchtturm nicht zum Elfenbeinturm wird

Gefragt von Moderator Lars von Törne, warum ein Unternehmen Comics fördern sollte, antwortete Meinrenken recht schwammig, weil Comics sexy seien. Es gehe schließlich um Vielfalt, um Subkulturen, um Geld und darum, dass Künstler keine Existenz als Illustratoren fristen müssen.  Man wolle „den Laden“ aufmischen, meinte Schreiber. Und auf die Frage, was Aisha Franz mit so einer Förderung gemacht hätte, antwortete die Künstlerin unbefriedigend, sie hätte ihr Projekt vielleicht schneller beenden können.

In Dylan Horrocks Comic „Hicksville“ gibt es einen Leuchtturm, in dem sich alle Comics befinden, die nie gemacht wurden. Kann der neue Comicverein dieser Leuchtturm sein oder muss man Angst haben, dass der Leuchtturm zum Elfenbeinturm wird, in dem nur die besonders wertvollen Graphic Novels der gleichen Verlage stehen? Comic-Salon-Leiter Bodo Birk schaltete sich in die Diskussion ein und bestätigte solche Ängste, gab aber auch zu verstehen, dass nur eine sinnvolle Förderung den Weg für ein Expertentum schaffen kann, um ein Verständnis für Subkulturen zu schaffen. Ein Comicverein könnte solche Anreize für förderungswürdige Projekte jenseits der politisch korrekten Projekte geben.

Am Ende der Diskussionsrunde scheinen Ulrich und Flix plötzlich telepathisch verbunden zu sein – sie scheinen sich einig zu sein: Es müssen Strukturen geschaffen werden. Ein ständiger Stand für deutsche Künstler in Angoulême wäre ein guter Anfang und sei doch wohl wirklich nicht zu viel gefördert, oder?

Für alle, diejenigen die eine solche Idee unterstützen wollen, will der Comicverein demnächst eine Homepage einrichten und für Anregungen offen stehen.

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