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Frank Miller und Corto Maltese.

© IMago/ZUMA Wire, Schreiber & Leser

Frank Miller verfilmt Comic „Corto Maltese“: Zusammenprall zweier gegensätzlicher Geister

Frank Miller („Sin City“) soll den Comic „Corto Maltese“ verfilmen. Das Ergebnis könnte ein kreatives Feuer werden – oder ein gewaltiger Schlamassel.

Es ist zunächst einmal eine gute Nachricht, dass der erfolgreiche Zeichner Frank Miller („Sin City“, „300“) den Comic „Corto Maltese“ seines italienischen Kollegen Hugo Pratt verfilmt. Eine sechsteilige Fernsehserie soll es werden, und die Aufmerksamkeit bereits im Vorfeld steht allen gut. Frank Miller, der zuletzt eher mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam machte, und „Corto Maltese“, einem Klassiker, wie es kaum einen zweiten gibt.

Hugo Pratts Mammutwerk, veröffentlicht in zwölf Bänden, über tausend Seiten Gesamtumfang, ist die Geschichte eines Seefahrers im Zeitenwirrwarr der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. Umberto Eco hat ihm Reverenz erwiesen, ihn im Gegensatz zu den Sozialutopien eines Friedrich Engels eine „herausfordernde Lektüre genannt“. Die französische Zeitung Le Monde nahm ihn in ihre Liste der 100 Bücher des 20. Jahrhunderts auf, zusammen mit „Asterix“ und „Tim & Struppi“, mit Hemingway, Kafka und Rushdie.

„Corto Maltese“ galt lange als unverfilmbar

Mit seinen oft surrealen Anklängen, ausgedehnten Traumsequenzen und der Vielzahl Schauplätzen rund um den Globus galt „Corto Maltese“ lange als unverfilmbar, jedenfalls soweit es Realfilme betrifft. Ein Zeichentrickfilm brachte Anfang des Jahrtausends ein immerhin solides Ergebnis in der Umsetzung, eine dem folgende Zeichentrickserie mit deutlich schlampigerer Animation dann nicht mehr.

Eine Seite aus dem ersten Corto-Maltese-Band „Südseeballade“.
Eine Seite aus dem ersten Corto-Maltese-Band „Südseeballade“.

© Schreiber & Leser

Was Frank Miller vorhat, und wie er sich die Umsetzung denkt: wir wissen es nicht. Sicher ist nur, dass er in Zusammenarbeit mit dem französischen Mediengiganten Studiocanal für Drehbuch und Regie der sechsteiligen Serie verantwortlich sein soll.

Miller, Autor und Zeichner von epochemachenden Comics wie „Sin City“ und „Der dunkle Ritter kehrt zurück“, hat wie Eco dem Seemann in seinen Werken immer wieder mal Reverenz erwiesen. Innerhalb des Batman-Kosmos hat er eine südamerikanische Insel nach der Figur benannt, die seitdem nicht nur bei ihm selbst gelegentlich auftaucht. In Tim Burtons erstem „Batman“-Film fand die Insel danach Erwähnung, in den verschiedenen Fernsehserien zu den DC-Superhelden, und in den Comics anderer Autoren.

Frank Miller 2009 mit Schauspieler:innen seiner Verfilmung von „The Spirit“: Scarlett Johansson, Samuel L. Jackson und Eva Mendes.
Frank Miller 2009 mit Schauspieler:innen seiner Verfilmung von „The Spirit“: Scarlett Johansson, Samuel L. Jackson und Eva Mendes.

© dpa / Jens Kalaene

Miller selbst ist erklärter Liebhaber von Pratts Comic, den er laut eigener Aussagen auf Reisen in Italien fand. Was soll also schiefgehen? Zum Beispiel das: Miller liebt auch „The Spirit“ von Graphic-Novel-Oberguru Will Eisner. Den hat er 2008 verfilmt, und das war nicht nur ein gewaltiger Flop, sondern ebenso künstlerisch ein Reinfall. Miller machte aus Eisners hartgesottenenen Krimicomic mit lyrischer Note eine unfreiwillige Komödie, mehr Drei Stooges als Will Eisner. Als hätte er nie einen der Comics gelesen, auf denen der Film basiert.

Faschismus als Antwort auf Islamismus

Danach machte Miller mit einer hochrassistischen Graphic Novel von sich reden: „Holy Terror“ reduzierte den Islam auf Bombensplitter, dem er als Antwort zutretende Stiefel und Heldinnen in hautengen Latexkostümen entgegensetzte. Faschismus als Antwort auf Islamismus.

Miller hat den Band später bereut, genauso wie seine Äußerungen zu „Occupy Wall Street“, deren Aktivisten er mit einer Schimpftirade überflutete, von denen Begriffe wie „Vergewaltiger“ und „Abschaum“ noch die nettesten waren.

Kann man diesem Mann ein Filmprojekt anvertrauen? Auch „Sin City 2“, die Fortsetzung von Roberto Rodriguez erfolgreicher Verfilmung von Millers Graphic-Novel-Serie, war ein Flop. Anders als beim ersten Teil war Miller in den zweiten Teil wesentlich enger eingebunden, als Co-Regisseur, Drehbuchautor und Produzent.

Millers große Zeiten waren die Achtziger- und Neunzigerjahre, als er Comics zeichnete, die den Weg des Mediums beeinflussten. Danach machte er als erfolgloser Regisseur auf sich aufmerksam, und als rechter Krakeeler, dessen Welt immer engstirniger zu werden schien. Der quasi-faschistoide Gewaltorgien wie „300“ und „Holy Terror“ zeichnete.

Damit ist Millers Weltsicht das Gegenteil zu Pratts Weltentwurf in „Corto Maltese“, der immer von Weite und Offenheit bestimmt war. An diesem Gegensatz wird sich entweder ein kreatives Feuer entzünden oder es wird ein gewaltiger Schlamassel werden.

Corto Maltese erscheint bei Schreiber & Leser. Das Gesamtwerk von Frank Miller (auch die Sachen, die man unbedingt gelesen haben sollte) erscheint bei Cross Cult und bei Panini. Offenlegung: Der Autor hat Frank Millers „Hard Boiled“ ins Deutsche übertragen.

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