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Eine Seite aus „Die 5 Reiche“.

© Splitter

Fantasy-Märchen-Comic „Die 5 Reiche“: Tierischer Machtkampf

Prächtig wie ein Disney-Animationsfilm, brutal wie „Game of Thrones“: Die Comicreihe „Die 5 Reiche“ erzählt von dramatischen Intrigen in einer Fantasy-Welt.

Wollte man die französische Fantasy-Comicserie „Die 5 Reiche“ (Übersetzung: Harald Sachse, Splitter, bislang 2 Bände à 64/56 Seiten, je 16 €) möglichst griffig beschreiben, dann vielleicht so: Disney meets Game of Thrones. Schließlich herrschen in den mittelalterlich angehauchten Nationen der titelgebenden Fünf Reiche Raubkatzen, Bären, Echsen, Hirsche und Affen – die Zeichner Jérôme Lereculey alle in das prächtige pseudohistorische Gewand eines Disney-Animationsfilms mit tierischen, jedoch voll anthropomorphisierten Protagonisten kleidet.

Man denkt sofort an den Trickfilmklassiker „Robin Hood“ (1973), aber natürlich sind Entenhausen und andere Disney-Hausnummern direkt um die Ecke.

Doch die Gangart und Darstellung der Konflikte in „Die 5 Reiche“ ist kaum noch Disney, sondern so erwachsen und brutal wie in George R. R. Martins „Game of Thrones“, das 1996 in Buchform startete, durch verschleppte Veröffentlichungstermine der finalen Bände in den letzten Jahren Fans verprellte und zwischenzeitlich als beliebte HBO-Fernsehserie adaptiert und hier bereits abgeschlossen wurde.

Aber zurück in die Fünf Reiche. Cyrus, der legendäre Tigerherrscher des Raubkatzen-Königreichs Angleon, liegt im Sterben. Der Frieden seines mächtigen Landes hing bisher nicht nur an den royalen Kindern anderer Tiernationen, die er als Pfand und Geiseln in Angleon hielt, sondern genauso an seinem Ruf aus vergangenen Schlachten sowie seiner Stärke, die durch die Krankheit nun rapide abnimmt.

Cyrus’ arroganter, aggressiver Neffe Hirus gilt als ausgemachter Thronfolger. Doch was, wenn Cyrus’ älteste Tochter Prinzessin Mileria die bessere Wahl für die Krone wäre? Gäbe es einen Weg, sie auf den Thron zu setzen?

Eine weitere Seite aus „Die 5 Reiche“.
Eine weitere Seite aus „Die 5 Reiche“.

© Splitter

Mileria, die durchaus Ambitionen hat, macht sogar Prinz Khalden aus dem barbarischen Bärenkönigreich Arnor ein unglaubliches Angebot, obwohl Bären und Raubkatzen eine Vergangenheit des Krieges und des Hasses verbindet. Milerias Schwester Astrelia hat unterdessen mit einer Neuigkeit zu ringen, an der ein ihr zugeneigter Löwenwachsoldat nicht ganz unschuldig ist...

Ein brutaler Hundesöldner, ein Löwe mit einem morbiden Geheimnis

Schon dieser vereinfachte Abriss des ersten Albums zeigt, dass das Autorenkollektiv Lewelyn (das sind David Chauvel, Andoryss und Patrick Wong) genretypisch auf sattes Worldbuilding und auf die Eröffnung vieler Handlungssträngen setzt – teils solcher, die sich erst in späteren Bänden des ersten Zyklus entfalten und auszahlen werden.

Die Thronfolge bei den Tigern Angleons birgt jedenfalls nicht als einziges Potenzial für spannende Entwicklungen. Was hat es etwa mit dem brutalen Hundesöldner auf sich, der in einer Wüste auf Echsenjagd geht? Oder dem jungen Ozelot Lis, der sich der Garde von Angleon mithilfe einer Lüge anschließen will? Oder deren stattlichem Hauptmann mit Löwenmähne, der ein morbides Geheimnis hegt?

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Dank des ersten Bands, der zum Schluss eine Game of Thrones-mäßige Überraschung auffährt, kommen Fantasy-Fans schnell und gut in den Fünf Reichen an. Das kann nicht zuletzt Zeichner Jérôme Lereculey zugeschrieben werden, dem ohne Ausnahme schöne, historisch-fantastisch ausgestattete Tiercharaktere und Kulissen gelingen, die zudem von Dimitris Martinos’ leichten Farben profitieren.

Das Titelbild des zweiten Bandes, Band 3 erscheint auf Deutsch im April 2021.
Das Titelbild des zweiten Bandes, Band 3 erscheint auf Deutsch im April 2021.

© Splitter

Die animalischen Akteure sind innerhalb ihrer jeweiligen Spezies stets gut zu unterscheiden und werden vor allem sehr ausdrucksstark dargestellt, was den Emotionen bei all den Dramen und Intrigen über das Visuelle und die Expressionen noch mehr Vehemenz verleiht.

[Weitere Tagesspiegel-Artikel über Comics, in denen Tiere die Hauptfiguren sind: Revolutionärin auf vier Pfoten, Ahab der Alpen, Prophet der Affen.]

Auch variiert Lereculey die Anzahl und das Format der Panels pro Seite klug: Weite und Größe, wenn die Welt und das Setting im Vordergrund stehen, schnelle Abfolgen mehrerer kleinerer Ausschnitte und somit eine gewisse Dichte, wenn es um intime, verschwörerische und entscheidende Augenblicke für die Figuren geht.

Alles in allem also ein tierisch guter Auftakt für diese neue Fantasy-Serie aus Frankreich, da will man als Genre-Fan dran bleiben. Umso mehr, da die Alben auf Deutsch bis Sommer erst einmal im Zweimonatsrhythmus erscheinen sollen, solange genug Material vorliegt – also wesentlich schneller als die letzten Romane von George R. R. Martin. Mal sehen, wie lange Feuer, Finesse und Frequenz von „Die 5 Reiche“ halten.

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