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Speedline-Gewitter: Eine Doppelseite aus „Search and Destroy“.

© Carlsen

Manga-Thriller „Search and Destroy“: Die Rache der Maschinenfrau

Mit dem Science-Fiction-Thriller „Search and Destroy“ überträgt Atsushi Kaneko einen Manga-Klassiker von Osamu Tezuka ins 21. Jahrhundert.

Osamu Tezuka gilt noch heute vielen als „Gott des Manga“. Neben vielen anderen seiner Werke ist auch das 1967 bis 1968 erschienene „Dororo“ ein Klassiker. Sich an eine solche Serie heranzuwagen, um sie neu zu interpretieren, braucht Mut – Mut wie den eines Atsushi Kaneko.

Der hat sich als Mangazeichner mit Werken wie dem auch auf Deutsch veröffentlichten Thriller „Wet Moon“ einen Ruf als unkonventionelles Zeichengenie gemacht und bringt die richtige Portion Kreativität und Unkonventionalität mit, um aus einem bekannten Erzählstoff etwas Neues, Zeitgemäßes zu formen.

Auge um Auge. Eine weitere Szene aus „Search and Destroy“.

© Carlsen

Während Tezuka sein Racheepos im feudalen Japan ansiedelte, spielt Kanekos Version in einer Zukunft, in der Menschen und Cyborgs eine von Misstrauen und Unterdrückung geprägte Koexistenz führen. Im Original verspricht der Fürst Daigo Kagemitsu 48 Dämonen die Körperteile seines ungeborenen Sohnes, der infolgedessen nur durch die Hilfe des Arztes Jukai überlebt.

In Kanekos „Search and Destroy“ (Übersetzung Gandalf Bartholomäus, Carlsen, Band 1: 232 Seiten, 18 Euro) ist die Hauptfigur eine Frau namens Hyaku, deren menschliche Körperteile 48 als „Kreas“ bezeichneten Cyborgs versprochen wurden. Genau wie der Protagonist des Originals wird Hyaku beim Versuch, ihren menschlichen Körper und damit ihre Identität wiederzuerlangen, von einer unbändigen Wut angetrieben.

Blutige Gewaltorgien spielen sich dabei in einer futuristischen Cyberpunk-Welt ab, die an Science-Fiction-Klassiker wie „Blade Runner“ denken lässt. Die „Kreas“ werden von den „Sapos“, wie Menschen in jener Welt genannt werden, gnadenlos ausgenutzt.

Eine kleine Diebin als Sidekick

Kaneko zeichnet dieses düstere Szenario mit harten Schwarz-Weiß-Kontrasten und fokussiert immer wieder auf technische wie körperliche Details. Dadurch entsteht eine sterile, beunruhigende Atmosphäre, in der jeder jedem zu misstrauen scheint.

Eine weitere Szene aus „Search and Destroy“.

© Carlsen

Um die besondere Akribie richtig zu würdigen, mit der Kaneko viele seiner Panelhintergründe zeichnet, sollte man wissen, dass der Mangazeichner im Gegensatz zu den meisten Kollegen komplett ohne Assistenten arbeitet. So gelingt es ihm, seinen eigenen, unverkennbaren Stil durchgehend zu bewahren.

[Mit der Manga-Reihe „Pluto“ wurde bereits ein anderer Klassiker von Osamu Tezuka adaptiert - mehr dazu hier.]

Erst allmählich erschließen sich die Zusammenhänge der gefährlichen Welt, in die Hyaku hineingeboren wurde und in der ihr so übel mitgespielt wurde. Unterstützung erhält sie von der kleinen Diebin Doro, einem menschlichen Waisenkind, das so arm ist, dass es in der Kanalisation unter Ratten leben muss.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Carlsen

Gegenüber all den von Aggression und Machthunger getriebenen, halb aus Maschinenteilen bestehenden Figuren wirkt das tollpatschige Kind wie die einzige verlässliche Wärmequelle der Geschichte. Für Tezukas Original war sie sogar namensgebend, wobei „Dororo“ zugleich die kindliche Aussprache des japanischen Worts für „Dieb“ darstellen soll, „Dorobo“.

Atsushi Kaneko ist mit seiner Version des Tezuka-Klassikers eine verstörende, geniale Interpretation des Ursprungsstoffs gelungen. Zudem verleihen Neuverortung und die vielen frischen Ideen, die der Autor einbringt, dem dreibändigen Werk genau die Aktualität, die ein Klassiker nach so langer Zeit braucht, um nicht angestaubt zu wirken.

Julia Frese

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