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Muttertier: Eine Szene aus „Drei Väter“.

© Edition Moderne

Comic-Debüt „Drei Väter“: Reiten auf einem zusammengebrochenen Vogel

Grenzenlos, komisch und durch und durch ästhetisch: Nando von Arb erzählt in seinem Comic-Debüt „Drei Väter“ eine ungewöhnliche Familiengeschichte.

Am Anfang war der Titel, sagt Nando von Arb, und dann der Wunsch, ehrlich, unmittelbar und ungehemmt seine Geschichte und die seiner Familie zu erzählen. Und was dabei heraus gekommen ist, lässt sich verschlingen: Tiere und so eine Art Fabelwesen sind die Eltern allesamt, „weil die Eltern für uns Kinder nicht zu verstehen sind“.

Also ist die Mutter des kleinen, herzigen Erzählers von „Drei Väter“ (mit den zwei ebenso herzigen kleinen Schwestern) ein Vogel, der leibliche Vater ein hundeartiges Wesen in kunstvollen Klamotten – und dazu reihen sich Kiko, ein menschenähnlicher Künstler mit sehr langen und sehr beweglichen Beinen, und außerdem Vater der älteren Schwester, sowie Zelo, ein Zwischending zwischen archaischem Kunstwerk und Steinwesen und neuer Partner der Mutter.

Menschen mit Tieren zu repräsentieren: ein uralter erzählerischer Kniff, der hier nicht nur funktioniert, sondern visuell wie szenisch viele Türen öffnet. Wer könnte sonst auf einem kräftigen, aber leider zusammengebrochenen (Mutter-)Vogel so unbedarft fröhlich reiten?

Das väterliche Hundewesen zeigt Zähne

Richtig stark werden die „Drei Väter“ in den Dialogen, während es in den Passagen zu Beginn scheint, dass von Arb noch erklären will, wie das so ist mit den alleinerziehenden Müttern und seinem episodischen Erzählen noch nicht ganz so traut. Aber dann kommen das kleine Ich und seine Familie mit Ecken und Kanten in Fahrt, Kiko verbiegt sich, bis die gute Laune ausbricht, das väterliche Hundewesen zeigt Zähne und Kunst, und endlich treibt das kleine Ich sogar noch Zelo auf, der zum Glück gerade in Scheidung ist.

Dann schafft von Arb das, was sein Vorhaben war, „frei und unmittelbar“ zu zeichnen und zu erzählen; frei von künstlerischen und erzählerischen Normen und manchmal ganz schön politisch inkorrekt (was ziemlich charmant ist).

Schräge Patchwork-Familie: Eine Szene aus „Drei Väter“.
Schräge Patchwork-Familie: Eine Szene aus „Drei Väter“.

© Edition Moderne

Ebenso wie die Entwicklung einer etwas schrägen Patchwork-Familie ist diese Geschichte auch ein ästhetischer Spaziergang, ein Ein- und Auftauchen in Kunst, sowohl für die Leserin wie für den Erzähler. Nicht von ungefähr fängt auch das kleine Ich bald an zu zeichnen, zu malen, und Kunst zu sammeln – sich genauso mit Kunst auseinander zu setzen wie mit Vätern, mit Mutter, und von Kunst umgeben und damit konfrontiert mit sich selbst.

Wenn Kiko mit großer Geste ein Pferd mit Euter aufs Papier zaubert, ist es für die Mutter grad gut genug für die Toilette – das kleine Ich springt auf und reitet davon und wird fortan bei jedem hundsnormalen Pferd den Euter vermissen.

„Sohn, was spielst du da?“

Mit den „Drei Vätern“ ist Nando von Arb ein Debüt gelungen, das vor Farbigkeit förmlich explodiert. Mal macht die Farbe den Raum, dann zieht sie Geschwindigkeit an, dann ist sie wieder wunderbar gefühlsbesoffen, und wo sie fehlt, ist die Form schwarzweiß verdichtet.

Pferde brauchen Euter: Eine Szene aus „Drei Väter“.
Pferde brauchen Euter: Eine Szene aus „Drei Väter“.

© Edition Moderne

Meine Lieblingsszene aber, die ich ab sofort allen beim Thema Computerspiele besorgten Eltern aufs Auge drücken werde, beginnt mit: „Sohn, was spielst du da?“ und beinhaltet dann angemessene Magenverstimmungen, voll coole Verabredungen zum gemeinsamen Massakrieren, Väter, die echt keinen blassen Schimmer haben und trotzdem bleiben, auch wenn die Erziehung angeblich am Muttervogel hängen bleibt – die ganze Palette also, und das auch noch gestalterisch. Großer Spaß!

Ein ganz schön grenzenloser Comic, eine durch und durch ästhetische Bildergeschichte, und eine kritische und gerade darin sehr, sehr komische Auseinandersetzung mit Vätern, Kindern, Müttern und ähnlichen Gattungen.

Nando von Arb; Drei Väter, Edition Moderne, 304 Seiten, 39 Euro

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.

© Edition Moderne

Charlotte von Bausznern

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