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Panel Walk: Viele Comics können in Hamburg auch diesmal wieder hinter Schaufenstern entdeckt werden.

© Jette Oberländer

15 Jahre Comicfestival Hamburg: Jubiläum im Zeichen der Pandemie

Das Comicfestival Hamburg hat sich seit 2006 als Institution etabliert. Co-Organisator Sascha Hommer über die Entwicklung der Szene und Planungen in Corona-Zeiten.

2006 fand es zum ersten Mal statt, seitdem ist das Comicfestival Hamburg hierzulande zu einem der wichtigsten Treffpunkte vor allem für die Independent-Comicszene geworden. In diesem Jahr findet es vom 1 bis 3. Oktober statt - und wird zum zweiten Mal nach 2020 unter den Bedingungen der Coronavirus-Pandemie organisiert.

Das Poster des Festivals hat in diesem Jahr Jul Gordon gestaltet.
Das Poster des Festivals hat in diesem Jahr Jul Gordon gestaltet.

© Comicfestival Hamburg

Im Zentrum des Festivals stehen Arbeiten von Comicschaffenden „mit besonderem künstlerischen Blick“, wie es im Programmheft heißt (hier kann es als PDF heruntergeladen werden). Es gibt Ausstellungen, Lesungen, Signierstunden und eine Messe, wo die Arbeiten der Künstler:innen erworben werden können.

Präsentiert unter anderem aktuelle Werke von Hamburger Zeichner:innen wie Hannah Brinkmann, Jan Soeken, Jul Gordon, Tanja Esch und Jutta Bauer. Dazu kommen Vertreterinnen der Leipziger Szene wie Anna Haifisch und Lina Ehrentraut, Rutu Modan aus Israel und Joe Kessler aus Großbritannien (denen jeweils eine Ausstellung gewidmet ist) sowie weiter Künstler:innen aus Deutschland und einigen anderen Ländern..

Zum Veranstaltungsteam gehört von Anfang an Sascha Hommer, der sich neben seinem Einsatz als jahrelanger Herausgeber der Anthologie „Orang“ und Dozent an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg vor allem als Autor von Comic-Erzählungen wie „Spinnenwald“ , „In China“ und „Insekt“ einen Namen gemacht hat.

Lars von Törne hat ihn zu den Planungen für das bevorstehende Wochenende und zur Entwicklung der Comicszene in den vergangenen 15 Jahren befragt.

Im vergangenen Jahr hat das Comicfestival Hamburg als Reaktion auf die Pandemie einen „Panel Walk“ angeboten, bei dem viele Arbeiten in Schaufenstern und anderen öffentlichen Orten von außen einsehbar waren. Wieweit bestimmt das Coronavirus auch in diesem Jahr die Präsentationen des Festivals?

Auch in diesem Jahr noch steht das Festival weiterhin im Zeichen der Pandemie. Einerseits haben wir wieder mit vielen Außenflächen geplant, das heißt, es gibt etwas weniger begehbare Ausstellungen als normalerweise, und Festivalpartys fallen auch weg. Zudem war es sehr schwierig, die Planung unter Pandemiebedingungen durchzuführen - digitale Treffen des Teams sind keine geeignete Form, um sich auszutauschen. Aber viele Dinge die im vergangenen Jahr undenkbar gewesen wären, können wir uns dieses Jahr auch wieder trauen. Zum Beispiel haben wir immerhin zwei internationale Gäste eingeladen nach Hamburg zu kommen - und mit Joe Kessler hat einer von ihnen schließlich auch zugesagt.

Anna Haifisch, die in Kürze den dritten Band von „The Artist“ veröffentlicht, ist in Hamburg eine Ausstellung gewidmet.
Anna Haifisch, die in Kürze den dritten Band von „The Artist“ veröffentlicht, ist in Hamburg eine Ausstellung gewidmet.

© Anna Haifisch

Offenbar ist auch die Messe, wo sonst viele Verlage und Künstler:innen persönlich ihre Werke präsentierten, im Zeichen der Pandemie anders aufgebaut als früher. Vieles wird eher in Form eines Kiosks als durch persönlich anwesende Verlagsvertreter*innen präsentiert, wie sich dem Programm entnehmen lässt. Was erwartet Besucher:innen hier?

Das kleine Team, das die Messe aufbaut, wird auch die Verlagsstände betreuen und die Bücher und sonstigen Produkte den Besucher:innen aushändigen. Es ist natürlich schade, dass es keine richtige Verlagsmesse mit anwesenden Vertreter:innen der Verlage gibt, aber wir wollen einen Kompromiss versuchen, der es trotzdem möglich macht auch auf kleinem Raum die übliche Vielfalt der Produkte anzubieten. Ob dieses Konzept sich auch für die Verlage und vertretenen Selbstverleger:innen auszahlt, wird sich dann am Festivalwochende zeigen.

Comic-Schaufenster: Eine Szene vom Hamburger Comicfestival 2020.
Comic-Schaufenster: Eine Szene vom Hamburger Comicfestival 2020.

© Jette Oberländer

Wieweit wird es trotzdem bei Lesungen, Ausstellungen etc. die Möglichkeit geben, Künstler:innen und andere Festivalbesucher:innen persönlich zu treffen?

Das Comicfestival bietet ein Programm mit Lesungen an, bei dem man viele der ausgestellten Künstler:innen live auf der Bühne erleben kann. Dieses Liveprogramm wird Anfang der Woche online gestellt - wir hatten bis zuletzt mit der Veröffentlichung gewartet, um abschätzen zu können, welche Hygienebedingungen wir letztlich beachten müssen. Einige der Festivalorte, wie beispielsweise das Kölibri (wo die Messe stattfindet), das Vorwerkstift (dort sind Lesungen und die Ausstellung von Lina Ehrentraut) oder das Gängeviertel (dort sind Lesungen sowie die Ausstellungen von Anna Haifisch und Rutu Modan) bieten sich aber auch unabhängig von Lesungen zum Verweilen an - jeweils an der frischen Luft. Generell sind auch alle Ausstellungseröffnungen gute Treffpunkte. Das Festival ist mit seinen über 30 Orten so konzipiert dass es sich anbietet, auf einem Spaziergang nicht nur die ausgestellten Werke, sondern auch die Stadtteile St. Pauli, das Karoviertel und die Neustadt zu erkunden. Es ist also als Besucher:in nicht ganz unwichtig, dem Wetter angemessene Kleidung mit sich zu führen.

Eine Ausstellung auf dem Festival zeigt Werke von Rutu Modan, hier eine Szene aus ihrem Buch „Tunnel“.
Eine Ausstellung auf dem Festival zeigt Werke von Rutu Modan, hier eine Szene aus ihrem Buch „Tunnel“.

© Carlsen

Das Comicfestival Hamburg begeht in diesem Jahr sein 15-jähriges Jubiläum. Hast Du damals 2006 erwartet, dass es so ein langfristiges Projekt wird, und was waren aus Deiner Sicht die wichtigsten Etappen in diesen 15 Jahren?

Als wir 2006 mit dem Festival begannen, war ich Student und die Veranstaltung war im Verhältnis noch sehr klein. Ich hätte damals nicht daran gedacht, das Festival für zehn Jahre oder länger zu begleiten. Als wichtige Etappen würde ich die Vereinsgründung nennen - seit 2012 wird das Comicfestival vom Comicfestival Hamburg e.V. veranstaltet - sowie die stärkere Anbindung an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die ab 2017 besteht. Auch der Support von der Hamburger Behörde für Kultur und Medien ist in den letzten Jahren deutlich wichtiger geworden.

Mit Sicherheitsabstand: Es soll in Hamburg wieder Signierstunden geben, unter Einhaltung der Pandemie-Regeln.
Mit Sicherheitsabstand: Es soll in Hamburg wieder Signierstunden geben, unter Einhaltung der Pandemie-Regeln.

© Xiyu Yang

Wie hat sich die Comicszene Hamburgs und Deutschlands in diesen 15 Jahren verändert und entwickelt?

Ganz sicher kann ich nicht für die gesamte Comicszene sprechen. Was allerdings die Independent-Szene angeht, die sich um Verlage wie Reprodukt, avant, Edition Moderne, Rotopol und Jaja sowie die Hochschulen bewegt, glaube ich, ein paar Entwicklungen benennen zu können. Diese Szene ist heute sehr divers, und nicht mehr wie noch bis in die frühen 2000er hinein hauptsächlich von männlichen Zeichner:innen und Verleger:innen geprägt. Viele der heute etablierte Künstler:innen sind in den 90er Jahren mit Mangas und Animes aufgewachsen und damit einem ästhetischen Kanon verpflichtet, der sich von der europäischen Comickultur stark unterscheidet, was zur Vielfalt beigetragen hat. Die Arbeit der Verlage mit dem Begriff „Graphic Novel“ hat das Feld ebenso geöffnet und neue Wege ermöglicht hin zu literarischen Stoffen, didaktischen Erzählweisen und vielem mehr. Die Bandbreite an Stilen, Themen und Möglichkeiten mit Comics zu arbeiten und auch Geld zu verdienen, ist somit heute im deutschen Sprachraum größer als noch vor 15 Jahren, und es entsteht im Moment eine institutionelle Förderstruktur, die auf eine nachhaltige Entwicklung der kulturellen Nische hoffen lässt. Gleichzeitig gibt es noch sehr viel zu entdecken und zum ersten Mal auszuprobieren im Bereich Comic - aus meiner Sicht wird es also in den nächsten Jahren nicht wirklich langweilig.

Aus Großbritannien kommt Joe Kessler nach Hamburg, hier eine Seite aus seinem Buch „Prisma“.
Aus Großbritannien kommt Joe Kessler nach Hamburg, hier eine Seite aus seinem Buch „Prisma“.

© Edition Moderne

Comics aus Hamburg waren und sind für die deutsche Szene stilprägend, unter anderem durch Arbeiten aus der Hochschule HAW, wo neben Anke Feuchtenberger auch Du lehrst, durch Veröffentlichungen wie die bis 2013 von Dir mit herausgegebene Anthologie „Orang“ und in den vergangenen Jahren nun auch durch das Comicfestival. Was zeichnet aus Deiner Sicht die Hamburger Szene besonders aus?

Es gibt heute wie auch früher junge Menschen die nach Hamburg ziehen, um an der HAW zu studieren, und dies aus guten Gründen. Die Hochschule bietet im Bereich Kinderbuch, Grafik, Animation, Game Design und eben auch Comic exzellente Möglichkeiten. Hamburg als Stadt hat natürlich ebenso eine ansprechende Infrastruktur - gleichzeitig ist die kulturelle Szene klein genug dass sich alles gut verzahnen lässt. Ich empfinde in Hamburg auch eher wenig Abgrenzungsbedürfnis, etwa von der Freien Kunst gegenüber der Angewandten Grafik oder umgekehrt - mag auch sein dass ich es nur nicht mitbekomme. Aber es gibt einfach viele Orte, zum Beispiel kleine Off-Galerien, wo sich die Felder überschneiden. Und das ist dann auch die Struktur, auf der das Festival aufbauen kann. Was die Studierenden in Hamburg angeht, muss ich sagen dass das Niveau deutlich höher ist als früher. Zumindest viele der Studierenden haben in ihrer Kindheit offenbar nicht viel mehr gemacht als Medien konsumiert und gezeichnet. Das bedeutet, sie kommen bereits mit entwickelten technischen Fähigkeiten und einer hohen Medienkompetenz an die Hochschule. Und deshalb brauchen wir eben auch ein Comicfestival, damit man mit Anfang zwanzig auch mal beginnt, an die frische Luft zu gehen.

Das Comicfestival Hamburg wird unter anderem von der Landesregierung finanziell gefördert, auf Euren Seiten findet sich ein Grußwort des Hamburger Kultursenators. Wie wichtig ist eine derartige staatliche Unterstützung für den Comic als Kunstform?

Diese Förderung ist für uns sehr wichtig, sie geht erfreulicherweise auch über den reinen Geldsegen hinaus. Die Unterstützung des Kultursenators Carsten Brosda öffnet einfach Türen. Wir sind besonders glücklich mit Anje Flemming eine kompetente und engagierte Ansprechpartnerin in der Behörde zu haben.

Das Festival findet vom 1. bis 3. Oktober statt. Wenn man von außerhalb extra für das Festival nach Hamburg reist, an welchem Tag bekommt man besonders viel geboten?

Ich möchte als Veranstalter des Comicfestivals nichts versprechen, das wir nicht halten können. Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: 2021 ist das Festival noch mit halb angezogener Handbremse am Start, und das bedeutet dass wir etwas weniger Rahmenprogramm anbieten als in normalen Jahren. Aber wer sich für Neuentdeckungen im Bereich Comic interessiert und sich nicht scheut, eine gewisse Wegstrecke zwischen den Stationen zurückzulegen (Panel Walk), kann denke ich die Reise wagen. Am Freitag, dem 1. Oktober, kann man bei Interesse an Abendveranstaltungen ab 18 Uhr verschiedene Eröffnungen sehen (Rutu Modan, Anna Haifisch, Joe Kessler, Jan Soeken und andere) und dabei vom Gängeviertel in Richtung St. Pauli wandern. Der Samstag und Sonntag dagegen bieten jeweils eine geöffnete Messe, wo man in Büchern stöbern kann, sowie ein Programm mit Comiclesungen. Alle Veranstaltungen sind übrigens kostenfrei, bei den Lesungen wird allerdings um Anmeldung gebeten (Informationen finden sich bald auf der Webseite). Außerdem muss man natürlich die Hygieneregeln vor Ort im Blick behalten. Wenn es eine konkrete Frage gibt, bitte einfach eine Email schreiben an info@comicfestivalhamburg.de - wir versuchen zeitnah zu antworten und freuen uns auf alle Besucher:innen die nach Hamburg kommen!

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