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Stimmungsvoll. Das Konzerthaus leuchtet in die Berliner Nacht.

© Sven Darmer/Davids

Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt: Nicht nur die Hits, Hits, Hits

Am zweiten Abend des Classic Open Airs auf dem Gendarmenmarkt gibt es mehr als nur die Knaller des Repertoires zu hören.

Mozart, natürlich, damit kann man nichts falsch machen. Den zweiten Abend des Classic Open Airs auf dem Gendarmenmarkt eröffnet die Ouvertüre von „Idomeneo“, eine eher selten aufgeführte Oper; ein Hinweis darauf, dass nicht nur die Knaller des Repertoires zu hören sein werden. Sondern, zum Beispiel, auch das Gebet der Hebräer aus „Moses und Pharao“ von Rossini, das dessen ernste, innerliche Seite nach außen kehrt.

Grundsätzlich folgt aber eine beliebte Nummer auf die nächste, dafür kommen die Menschen schließlich – wenn auch bedauerlich viele Plätze leer bleiben. Dafür macht sich außerhalb der Absperrungen, wo es nichts kostet, jedes Jahr mehr Picknick-Stimmung breit. Auch dort hört man die starken Stimmen des Abends: Gregor Sobzak singt einen fürstlich-sonoren Grafen Almaviva aus „Figaros Hochzeit“ und später mit Lena Langenbacher ein geschmeidiges „La ci darem la mano“-Duett. Ja, ja, der Don Giovanni: „Bei insgesamt 2064 Frauen könnte sich die Hölle fast gelohnt haben“, sagt Moderator Hans-Jürgen Mende, Loriot zitierend.

Die Norddeutsche Philharmonie spielt kernig auf

Mende führt mit leichter Hand durch diese Arien-Abend, leistet sich nur eine unnötige Bemerkung: Dass man in der Oper immer stundenlang warten müsse auf den einen Hit – hier bekäme man sie alle hintereinander serviert. Ein stets wiedergekäutes, tragisches Missverständnis: Wer nur auf die „Hits“ schielt, wird immer unbefriedigt, hungrig und verständnisfrei nach Hause gehen. Denn die vermeintlichen Höhepunkte sind natürlich eingebettet in einen Gesamtzusammenhang, kündigen sich an, entfalten ihre eigentliche Wirkung erst im Kontrast und im Miteinander des ganzen Stücks.

Sei’s drum, die musikalische Qualität des Abends stimmt. Alle Sängerinnen und Sänger sind Ensemblemitglieder in Rostock. Aleksandr Nesterenko singt mit herrlich ruhigen, klaren Linien den Part des Alfredo aus Verdis „La traviata“, Natalija Cantrak eine fulminante Julia („Je veux vivre“) von Gounod. Die Norddeutsche Philharmonie mit dem für Julien Salemkour eingesprungenen Marcus Merkel am Pult spielt kernig auf, atmet den Geist dieser Stücke.

Umso drastischer die Differenz zum eher schwindsüchtig singenden Chor des Jungen Ensembles Berlin, der zudem ein reiner Männerchor zu sein scheint: Obwohl eindeutig auch Damen auf der Bühne stehen, sind sie kaum zu hören. Was den Chorpartien viel Schimmer und Glanz raubt, was jedoch schnell wieder vergessen ist – wenn das Rostocker Orchester eine pfefferige „Wilhelm Tell“-Ouvertüre spielt oder alle Beteiligten als Zugabe mit „Funiculì, Funiculà“ den Vesuv erklimmen.
Am Sonntag tritt Howard Carpendale auf, am Montag Andrej Hermlin mit dem Swing Dance Orchestra, 19.30 Uhr

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