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CITY Lights: Wo die wilden Kerle thronen

Nicht jeder kann es sich leisten, nach Cannes, Venedig oder Toronto zu fliegen, um dort die neuesten Spitzenfilme zu begutachten. Mitreden möchte der Liebhaber trotzdem.

Nicht jeder kann es sich leisten, nach Cannes, Venedig oder Toronto zu fliegen, um dort die neuesten Spitzenfilme zu begutachten. Mitreden möchte der Liebhaber trotzdem. Aber wie, wenn die Filme bestenfalls erst Monate später ins Kino kommen? Bereits zum achten Mal springt Around the World in 14 Films hier in die Bresche – und eröffnet am Freitag im Babylon Mitte mit Asghar Farhadis Cannes-Erfolg Le passé. Für jeden Beitrag hält ein prominenter Pate die Einführung – darunter Wim Wenders, Meret Becker, Maria Schrader und Knut Elstermann. Zwei besondere Filme, deren Regisseure bereits über 80 sind, seien besonders hervorgehoben. Der Chilene Alexander Jodorowsky stellt am Dienstag sogar persönlich La danza de la realidad vor, eine spielerische Rekonstruktion seiner Kindheit – verkörpert wird er darin von seinen eigenen Söhnen. Ganz und gar unspielerisch blickt Costa-Gavras, der Altmeister des Politthrillers, auf die Finanzwelt. Le capital handelt von einem modernen Robin Hood, der die Seiten gewechselt hat: Er stiehlt von den Armen und gibt alles den Reichen. Anders als Oliver Stone im Bankerklassiker „Wall Street“ hegt Costa-Gavras keinerlei versteckte Sympathie für den Finanzhai. Nach so viel Hass kann wiederum eine deftige Liebeserklärung nicht schaden – Sophie Fiennes’ The Pervert’s Guide to Ideology widmet sie der enthemmten Filmanalyse in den Worten des slowenischen Philosophen Slavoj Zizek. Er deutet, am Beispiel von 25 Werken, alles von „Triumph des Willens“ bis „Titanic“ und erforscht die Frage, wie Filme unsere Unzufriedenheit mit der Welt noch steigern (Programmdetails: 14films.de).

Grund zur Unzufriedenheit besteht beim russischen Filmexport. Seit dem Zerfall der Sowjetunion finden Moskauer Produktionen eher selten in die westliche Arthouse-Nische. Dabei wird in Putins Reich kräftig produziert, darunter viel kommerzielles Genrekino – nicht umsonst ist Gazprom Germania Hauptförderer der 9. Russischen Filmwoche (bis Mittwoch im International und FaF; Details unter russische-filmwoche.de). Ein besonders guter Ruf eilt Alexander Veledinskis Der Geograf, der den Globus austrank voraus: Darin bringt ein trinkfreudiger und sexbesessener Erdkundelehrer seine Schüler in Lebensgefahr. Zum Wandertag im Ural-Gebirge müssen sie an einem reißenden Fluss entlang. Als lebensgefährlich erweist sich auch der Kurzurlaub, den eine russische Mutter mit ihrem pubertierenden Sohn in Finnland verbringt. Michail Braschinskis Shopping Tour führt die beiden in ein Einkaufszentrum, dessen Kunden mittsommernachts vom Personal verspeist werden. Oha: Sollte das friedliebende Volk da auch unversehens kannibalistisch Rache nehmen für 100 Jahre Unterjochung zur Zarenzeit?

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