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Kultur: Chomskys Lehren

Eine

von Rüdiger Schaper

Für einen Professor der Linguistik muss es eine besonders schmerzhafte Erfahrung sein, wie beinhart die Bush-Regierung ihre Doktrin von der „Befreiung“ und „Demokratisierung“ des Irak durchpaukt. Ein einziger Tag mit 120 Terroropfern in Ramadi und Kerbela spricht eine andere Sprache.

Man weiß ja, dass Noam Chomsky nicht müde wird, die amerikanische Außenpolitik zu geißeln. Überraschender sind die Argumente des 77-jährigen Denkers vom Massachusetts Institute of Technology. Chomsky lehnt in einem Gespräch mit „Newsweek“ den bei Kriegsgegnern und Veteranen populären Vergleich Vietnam – Irak ab. In Südostasien, sagt Chomsky, hätten die USA ihr wesentliches Kriegsziel seinerzeit erreicht: die Zerstörung Vietnams. Dass es den Amerikanern nachher nicht gelungen sei, Vietnam zu einem Land wie die Philippinen zu machen, stehe auf einem anderen Blatt. „Es war möglich, Vietnam zu zerstören und abzuziehen. Aber man kann nicht den Irak zerstören und nach Hause gehen. Das ist undenkbar.“ Schon wegen des Öls. In einem Punkt bescheinigt der legendäre Oppositionelle Washington durchschlagenden Erfolg. George W. Bush selbst sei eher eine Symbolgestalt – aber seine Leute hätten „die Vereinigten Staaten zu einem der am meisten gefürchteten und gehassten Länder der Welt gemacht.“ Man habe es mit der „gefährlichsten Regierung in der Geschichte Amerikas zu tun. Da sind echte Genies am Werk.“

Noam Chomskys Sarkasmus spiegelt die Ohnmacht amerikanischer Intellektueller wider. Immerhin: Vor ein oder zwei Jahren hätte „Newsweek“ solche Sätze nicht gedruckt. Der große alte Mann versucht auch, ein wenig Zuversicht zu spenden: „Der Irak ist das erste Beispiel in der europäischen und amerikanischen Geschichte, dass ein Krieg bereits vor seinem Beginn massive Demonstrationen auslöste.“ Es hat nur nichts geholfen. Und wo sind die Demonstranten jetzt, mag man sich fragen. Sie sind in den Nachrichten: die Toten eines jeden Tags.

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