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Lotta Kummer (oben), Nina Kummer und Johann Bonitz sind zusammen Blond.

© Anja Jurleit

Porträt der Band Blond: Chemnitz-Glam für Europa

Witzig, feministisch, tanzbar: Das junge Pop-Trio Blond hat gerade sein Debütalbum „Martini Sprite“ veröffentlicht.

Billie Eilish, Beyoncé, Lizzo, Lana Del Rey – die angesagtesten Popstars sind derzeit weiblich. Sie werden hofiert und gefeiert. Für weniger bekannte Musikerinnen ist der Alltag jedoch häufig noch von tumbem Sexismus geprägt.

Im Backstage-Bereich von Konzerten nehmen Techniker sie selten ernst, machen dumme Sprüche oder erklären ihnen, wie sie ihre Instrumente zu bedienen haben.

Ein Song gegen sexistische Techniker

Die Chemnitzer Band Blond, in der zwei junge Frauen und ein Mann spielen, kann davon ein Lied singen – und sie tut es auch. Es heißt „Thorsten“ und fasst ihre unzähligen ätzenden Erfahrungen auf ironische Weise zusammen. Die erste Strophe geht so: „Thorsten, das hättest du mir so nicht zugetraut/Ich hab die Technik ganz alleine abgebaut/Natürlich muss da nochmal jemand drüber schauen/Doch ich hab das ganz ordentlich verkabelt für ne Frau.“

Das Lied war die erste Single des gerade erschienenen Blond-Debütalbums „Martini Sprite“. Um darüber zu sprechen, ist das Trio an einem grauen Wintertag in das Kreuzberger Büro seiner Promoagentur gekommen. Schlagzeugerin Lotta und Nina Kummer (Gitarre und Gesang) erzählen, wie wichtig es ihnen ist, sich gegen Sexismus zu wehren. „Wir waren mal bei einem Festival, wo der Moderator nach unserem Auftritt sagte: ,Das waren Blond. Musik geil, Frauen auch geil, so muss das doch sein.‘“, erinnert sich die 22-jährige Nina Kummer.

Über ihre Bookingagentur hätten sie sich später bei den Verantwortlichen beschwert. Ihre ein Jahr jüngere Schwester ergänzt, dass sie hoffe, dass andere junge Bands davon profitierten.

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Blond sind auf selbstverständliche, fast beiläufige Weise feministisch. Das zeigt sich sowohl im Gespräch als auch auf dem Album, auf dem es mit „Sie“ eine Art MeToo-Song gibt. Die Bass-Drum spielt das nervös pochende Herz einer traumatisierten Frau, im Refrain singt Nina Kummer „Ich habe Angst, du hast sie mir eingepflanzt.“ Ähnlich wie bei „Thorsten“ haben die Schwestern in dem Lied verschiedene Situationen und Erfahrungen gebündelt, vieles davon ergab sich aus Gesprächen im Freundinnenkreis.

Es sei wichtig, dass es durch MeToo ein größeres Selbstverständnis gebe, über diese Themen zu sprechen, und sich Frauen dadurch weniger allein fühlten, sagt Nina Kummer. „Es geht aber alle etwas an und nicht nur die Mädchen, die sich darüber auf der Toilette unterhalten“, findet Lotta Kummer.

Der Bass ist zentral in den Blond-Songs

Da stimmt auch Johann Bonitz zu. Der 23-Jährige hat die schwarze Sternchenbrille, die er auf dem Album-Cover trägt, vor sich auf dem Tisch liegen. Sie dient nur zur Deko, denn Bonitz ist blind. Der Multiinstrumentalist kreiert unter anderem die Basslines, die die Songs der Gruppe maßgeblich prägen. „Meistens sind sie zuerst fertig, und dann kommt das Schlagzeug dazu“, erklärt er den Beginn des kollektiven Soundwriting-Prozesses.

Wie dieser genau weitergeht, können die drei schwer beschreiben. „Wir probieren ganz viel rum und schustern es dann irgendwie zusammen“, sagt Nina Kummer, die die Texte schreibt – früher auf Englisch und Deutsch, jetzt nur noch in ihrer Muttersprache. Die drei machen schon seit ihrer Kindheit zusammen Musik, der Probenraum ist weithin das Zimmer von Lotta in der großen elterlichen Altbauwohnung. Auch Nina lebt dort noch.

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Der Bandname ist ebenfalls ein Produkt der Anfangstage: Weil sie damals noch alle strohblond waren, entschieden sich die Kids für Blond. Auf dem Cover ihrer 2016 erschienenen Debüt-EP, das ein Kinderfoto von ihnen zeigt, kann man die Haarfarbe noch erahnen. Von Blondie hatten sie natürlich noch nie etwas gehört. Prägend waren andere Bands: Nina mochte früher Wir sind Helden, 2raumwohnung und LaFee, Johann Instrumentalbands „mit Gitarrenbrett“. Alle drei können sich bis heute auf Rihanna einigen.

Menstruationsschmerzen und wütende Gitarren

Der Sound von Blond ist dynamisch, poppig und funky. Mitunter rauscht auch mal eine Riot-Grrrl-Gitarre rein, etwa in „Es könnte grad nicht schöner sein“, als es um Menstruationsschmerzen geht („Meanwhile in my uterus/ Bloody storm in my uterus“). Oft muss man an den Dance- Punk der nuller Jahre denken – und tatsächlich sind die drei Fans des damals wegweisenden James-Murphy-Projekts LCD Soundsystem. Neue-Deutsche-Welle- Bands wie Ideal, die man ebenfalls als Einfluss vermuten könnte, kennen sie allerdings erst seit Kurzem. Sie selbst geben als Genrebezeichnung für ihre Musik „Las Vegas Glamour“ an.

Zwar waren sie noch nie in der amerikanischen Stadt, aber es klingt halt schick. Lotta Kummer, die sich genau wie ihre Schwester kleine Glitzersteinchen neben die Augen geklebt hat, erklärt: „Das ist das Genre für alle, die keine Genres mögen. Bisher sind wir die Einzigen, die dazugehören. Weitere Bands sind eingeladen beizutreten. Es gibt keine Grenzen oder Kriterien, die erfüllt werden müssen.“

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Einen Hinweis, was Genreneuzugänge erwartet, gibt der Blond-Song „Las Vegas Glamour“, der vom Touralltag der Band erzählt: sechs Stunden Autobahn, dann kaum Fans vor der Bühne, kein Hotelzimmer, dafür ein Schlafsack im Backstage-Bereich.

Eine ihrer Tourneen haben Blond vor zwei Jahren zusammen mit Kraftklub unternommen, der Band ihrer älteren Brüder Felix und Till. Manchmal tauschen sie sich mit ihnen über ihre Songs aus, die musikalischen Eltern konnten ebenfalls schon mal reinhören. Und wie findet Lotta, die bei Blond gelegentlich rappt, das Solodebüt von Kraftklub-Sänger Felix Kummer? „Der flowt gut, spittet auch gut, haut gute Bars raus. Tolles Rap-Album“, sagt sie lachend und fügt hinzu, dass sie mit ihm viel an der Technik gefeilt habe. „Ich helfe jungen aufstrebenden Künstlern sehr gern.“

In Chemnitz sind sie gut vernetzt

Was in diesem Fall nur Spaß ist, verweist jedoch auf ein zentrales Element bei Blond: den Chemnitzer Gemeinschaftssinn. Die drei betonen immer wieder, wie viel Unterstützung sie aus der Szene der Stadt bekommen haben. Schon als sie noch recht wacklig zusammenspielten, durften sie etwa im Atomino auftreten. Das Logo des Clubs trägt Nina Kummer heute als Tattoo auf dem rechten Handgelenk. Auch in Studios konnte sich das Trio ausprobieren, ohne viel dafür zu zahlen.

Niemand bei Blond hat Pläne, aus Chemnitz wegzuziehen. Im Gegenteil: Die Band freut sich, dass durch die derzeit laufende Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt gerade viel Schwung da sei: „Man spürt eine Veränderung in der Stadt, das ist cool. Es gibt viele Veranstaltungen, neue Kunst- und Kulturprojekte“, sagt Nina Kummer. Demnächst geht die Band wieder auf Tour, es wird hoch hergehen: Sie haben einen  Chor und Tänzer dabei und sogar Zaubertricks einstudiert. Blond als Botschafterin des Chemnitz Glams – Europa kann kommen.
„Martini Sprite“ ist bei Beton Klunker Tonträger erschienen. Konzert: Lido, 5. März, 20 Uhr

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