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Linkes Gewissen. Der amerikanische Linguist und Public Intellectual Noam Chomsky 2014 bei einer Konferenz im tschechischen Olomouc.

© imago/CTK Photo

ChatGPT: Die Dummheit künstlicher Intelligenz

Der Linguist Noam Chomsky zieht in der „New York Times“ gegen die falschen Versprechen von Chatbots zu Felde.

Ein Kommentar von Gregor Dotzauer

Inmitten des Hypes um die sprachliche und intellektuelle Kompetenz von KI-Systemen ist seine Stimme von kühler, gelassener Schärfe. Gemessen an der menschlichen Intelligenz, könnte man Noam Chomskys Beitrag in der „New York Times“ zusammenfassen, gibt es kaum etwas Dümmeres als ChatGPT. Es gibt aber auch wenig, das durch seine ständig wachsenden Datenmassen nicht zumindest den Anschein einer grenzenlosen Überlegenheit erwecken könnte.

Wie der weltberühmte Linksintellektuelle und Linguist, Begründer der generativen Transformationsgrammatik, aus eben diesem Gegensatz „das falsche Versprechen“ von ChatGPT und verwandter Bots wie Microsofts Sydney oder Googles Bard entlarvt, ist ein argumentatives Vergnügen.

Weder er noch seine Mitautoren, der Linguist Ian Roberts und der KI-Theoretiker Jeffrey Watumull, sind Maschinenstürmer. Sie begründen nur überzeugend, worin die im jetzigen Modell maschinellen Lernens unüberwindlichen Schwächen KI-generierter Texte liegen: Gleich, wie viele Updates dem diese Woche veröffentlichten ChatGPT-4 noch folgen und, wie Chomsky in anderem Zusammenhang beklagte, zu noch mehr Plagiarismus und Lernfaulheit einladen: Auch das vordergründig brillanteste Ergebnis beruht auf einer „schwerfälligen statistischen Maschine für Mustererkennung“.

Auf den Spuren seiner Grammatiktheorie knüpft der mittlerweile 94-jährige Chomsky dabei an das Wort des Sprachphilosophen Wilhelm von Humboldt an, demzufolge auch der Klügste nur „unendlichen Gebrauch von endlichen Mitteln“ mache. Diesem minimalistischen Ansatz entspricht ein Maximalismus der Maschine:  Sie fügt aus ihren jedes menschliche Erinnerungsvermögen sprengenden Datensätzen zusammen, was ihr wahrscheinlich erscheint.

Doch sie ist unfähig, richtig von falsch zu unterscheiden – von moralischen Urteilen zu schweigen. Künstliche Intelligenzen sind zum Halluzinieren verurteilt. Demgegenüber insistiert er darauf, dass sich wahre Intelligenz darin zeige, auch „unwahrscheinliche, aber erkenntnisreiche Dinge zu denken“. Dies zu tun und kausal zu erklären, vermag aber vorerst nur der Mensch.

Auch Chomsky weiß, dass der Tag kommen mag, an dem eine sogenannte starke KI die Qualitäten des menschlichen Bewusstseins erreicht. Dass es dabei nicht um noch größere Speicherkapazitäten, sondern um eine grundlegende Neupositionierung von KI geht, ist angesichts der vielfach freiwilligen Unterwerfung unter eine verkrüppelte maschinelle Intelligenz vielleicht nur ein schwacher Trost. Doch es ist in Zeiten, in denen auch Chinas Suchmaschine Baidu mit dem Bot Ernie aufrüsten will, immerhin einer, den wir haben.

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