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Cecilia Bartoli, 2010.

© Herbert Neubauer/dpa

Cecilia Bartoli in der Philharmonie: Entrückt den Raum durchmessen

Cecilia Bartoli ist eine Meisterin der vokalen Inszenierung. In der Philharmonie stellte sie ein neues Album mit Arien vor.

Déjà-vu-Erlebnisse beruhen angeblich auf einer Täuschung der Erinnerung. Man glaubt, eine Situation so schon einmal erlebt zu haben, obwohl das unmöglich ist.

Cecilia Bartoli, die eine Meisterin nicht nur der vokalen Inszenierung ist, spielt in der Philharmonie mit dem verwirrenden Gefühl, sie bei dieser Aufführung schon einmal beobachtet zu haben.

Genau zehn Jahre ist es her, dass die Mezzosopranistin hier ihr Album „Sacrificium“ mit Kastraten-Arien vorstellte, als Kerl in Stiefeln das Podium stürmte und im Laufe des Abends immer mehr Kostümschichten ablegte, bis sie im Hemd dastand und ihre Stimme ungeschützt und berührend in den Bühnenhimmel schickte.

Nun stellt die Bartoli erneut ein Album mit Arien vor, die für einen mutwillig versehrten Menschen und großen Musiker komponiert wurden, für Carlo Broschi, genannt Farinelli. In seiner Stimme feierte die Kunst der Kastraten ihren letzten Höhepunkt.

Und wieder betritt Cecilia Bartoli gestiefelt die Bühne, diesmal stürzt sie sich aber nicht in den Furor des Lebens, sondern durchmisst entrückt den Raum mit einem schier endlos ausgehaltenen Ton, als verfüge sie tatsächlich über das Lungenvolumen des mythischen Farinelli. Doch zielt diese kluge Sängerin und ideensprühende Festivalmacherin nicht in erster Linie auf Überwältigung.

Dafür sorgt eine zweite Ebene, die sie mit der eröffnenden Händel-Sinfonia einrichten lässt. Ein Diener in Livree schiebt Kleiderstange und Schrankkoffer herein und holt so die Künstlergarderobe auf die Bühne. Mit stiller, zarter Zuwendung wird hier das Kostüm gewechselt oder auch nur ein Schluck Wasser getrunken, während die Musik weiterspielt.

Spiel mit Illusionen

Diese Augenblicke zwischen den Rollen, zwischen dem großen Jubilieren und Bangen, vermitteln ein unentrinnbar herbstliches Gefühl. Jeder Auftritt wird enden, alle Kostüme landen im Fundus wie die roten Federn von vor zehn Jahren.

Das Spiel mit Illusion, mit der kurzzeitigen Verwandlung über Geschlechtergrenzen hinweg taucht die Bartoli ins Licht einer Erinnerung, die täuschen kann. Zur elegischen Stimmung tragen auch die von ihr ins Leben gerufenen Les Musiciens du Prince-Monaco bei, denen das sanfte Plätschern hörbar mehr liegt als das pointierte Drängen. Auch die Zugaben kennen wir bereits. Der Furor, der Bühnenhimmel, Lascia la spina. Nie klangen sie verletzlicher.

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