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Caetano Veloso musste 1968 vor der Militärdiktatur ins Londoner Exil fliehen.

© Miguel A. Lopes/dpa

Caetano Veloso in Berlin: Eine tropikalische Brise

Tropicália-Star Caetano Veloso spielt mit seinen drei Söhnen im Berliner Tempodrom ein berauschendes Familienkonzert.

Von Andreas Busche

Die Zeiten in Brasilien sehen verdammt düster aus, aber davon will sich Caetano Veloso bei seinem ersten Berlin-Besuch seit 25 Jahren die Laune nicht verderben lassen. Kein Wort also zum Präsidenten Bolsonaro am Dienstagabend im Tempodrom. In seiner Heimat hat sich Veloso, der bereits 1968 vor der Militärdiktatur nach London fliehen musste, bereits deutlich gegen die Politik des Rechtspopulisten und dessen Kulturkampf geäußert. Aber der heutige Abend soll eine „Feier der Reproduktion“ werden, wie die 76-jährige Legende der Música Popular Brasileira verschmitzt meint.

An seiner Seite sitzen seine Söhne Zeca, Moreno und Tom, in Brasilien ebenfalls bekannte Musiker – auch wenn Moreno, der Älteste, kurz eine seriöse Karriere als Physiker angestrebt hatte. Da muss selbst der Vater kurz schmunzeln. Im Alter von neun Jahren, erzählt er, schrieb Moreno seine erste Melodie, Caetano steuerte die Textzeilen bei. Ganz im Sinne dieser künstlerischen Familienbande steht auch ihr Konzert. Caetano, Zeca, Moreno und Tom haben im vergangenen Jahr das Album „Ofertório“ aufgenommen: eine musikalische Reise in die formativen Jahre Caetanos in der einstigen Sklavenhochburg Bahia, überwiegend akustisch eingespielt, voll luftiger afrobrasilianischer Rhythmen und karibischer Melodien.

Veloso ist der Begründer brasilianischer Popmusik

Dieser kulturelle Synkretismus ist seit jeher ein Markenzeichen brasilianischer Popmusik. Ende der 60er, auf dem Höhepunkt der Hippie-Ära, verleibten Caetano Veloso und seine Mitstreiter Gilberto Gil, Jorge Ben, die Psychedelic-Rockband Os Mutantes und der Dichter Rogério Duprat ihrem Bossa/Samba-Hybriden Einflüsse amerikanischer Rockmusik und französischer Nouvelle Vague ein. Mit der Hymne der gegenkulturellen Tropicália-Bewegung eröffnen die vier Velosos auch ihr Konzert: „Baby“, geschrieben von Caetano, unvergesslich in der Version von Gal Costa.

Das Erstaunlichste an diesem Abend ist, wie gut sich die hönigsüße Stimme Caetano Velosos über die Jahre gehalten hat. In den Höhen klingt sie heute nur etwas rauchiger, dafür meint man den jungen Caetano zu hören, wenn der Vater dem 22-jährigen Tom stolz den Vortritt lässt. Tom ist auch der erste, der sich von seinem Stuhl erhebt und die Hüften schwingt, später machen es ihm der weiß gewandete Moreno und schließlich sogar Caetano mit einem lässigen Hüftfeger nach. Ihr Auftritt ist ein Heimspiel, die brasilianische Expat-Gemeinde stellt locker die Hälfte des Publikums im gut gefüllten Tempodrom: Moreno scherzt auf Portugiesisch, Caetano versucht zu vermitteln.

In Brasilien genießt der mehrfache Grammy-Gewinner längst den Status eines Nationalheiligtums. Man darf sein 46. Album aber auch als beruhigendes Signal verstehen, dass die Generationenübergabe reibungslos abläuft. Caetano zieht sich bei vielen Songs zurück, stimmt in den Harmoniegesang seiner Söhne ein oder begleitet sie nur auf der Gitarre. Ganz am Ende tritt er dann doch noch mal vor, mit seinem Klassiker „Tropicália“, der der Bewegung ihren Namen gab. Der Kreis schließt sich.

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