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Nordseelandschaft vor Büsum. Seit zehn Jahren gehört das Wattenmeer zum Unesco-Weltnaturerbe.

© dpa

Buchtipp für Meeresfans: Lob der Düsternis

Landschaften, Menschen und Geschichte einer rauen Küste: ein spannendes Nordsee-Porträt.

Soll man da etwa neidisch werden? „Am Morgen starrte ich durch das Bullauge auf eine graue Wasserscheibe“, schreibt der englische Autor Tom Blass in seinem Buch über die Nordsee. (Mare Buchverlag,

Hamburg 2019, 354 Seiten, 28 Euro). Als einziger Passagier auf dem Frachter „MV Løngstøne“ ist er unterwegs von der englischen Ostküste bis Göteborg. Rund tausend Meilen legt er zurück und sieht unterwegs hoch beladene Containerschiffe, Trawler und „Roll-on-Roll-off-Frachter“, kurz RoRo-Schiffe, wie die Løngstøne eines ist. Die Fahrt gehört zu seiner Recherche über die Nordsee. Herausgekommen ist ein liebevolles, exzellent geschriebenes Porträt. „Das Mittelmeer wirkt selbst dann noch geschwätzig, geschäftig und hell, wenn seine Strände leer sind.“ Nordseegestade dagegen hätten auch dann „etwas Düsteres, Ruhiges und Ernstes, wenn fröhliche Sommerurlauber auf ihnen herumstapfen".

Tom Blass führt kenntnisreich zurück in die Geschichte und zeichnet die Wege der Fleuten und Koggen vergangener Jahrhunderte nach. Dass Antwerpen einst so eine reiche Stadt war, lag am Handel mit Pfeffer, Zimt und Nelken. Und sie versank in Bedeutungslosigkeit, als Flussblockaden den Zugang zur Nordsee verhinderten und Amsterdam im Zuge dessen aufblühte.

Maler in Skagen, Bauern auf den Halligen

Der Autor sitzt bei einer Tasse Kaffee in Vlissingen (Zeeland) und beobachtet das übliche Prozedere: „Draußen in der Mündung setzen die von der Nordsee hereinkommenden Schiffe – genau wie in der Zwillingsmündung der Themse ihren Seelotsen ab und warten auf den Flusslotsen, der sie die Schelde hinaufleiten wird.“ Im Oktober 1944 tobte hier die Schlacht von Westerschelde. Rund 25 Menschen starben.

Er spricht mit Malern in Skagen, mit Bauern auf den Halligen, mit Pubbesuchern in Schottland und mit Fischern in der englischen Stadt Grimsby, eine Stadt, in der „die viktorianischen Hafengebäude zu herrlichen bröckelnden Ruinen verfallen“. 230 Fischarten leben in der Nordsee – und hier studiert er ihre Eigenheiten. Die Biologen rätselten über die Frage, „weshalb sich die Brachsenmakrele, ein griesgrämig dreinschauender Fisch mit permanent gerunzelter Stirn, in manchen Jahren massenhaft an der Küste von Yorkshire an den Strand wirft, während sie in anderen Jahren ganz ausbleibt.“

Lehrreich und amüsant zu lesen: das Nordsee-Porträt von Tom Blass.
Lehrreich und amüsant zu lesen: das Nordsee-Porträt von Tom Blass.

© Cover: Marebuchverlag

Dieses Buch ist eine lehrreiche Fundgrube für Liebhaber der Meere. Man muss keine luxuriöse Kreuzfahrt buchen, um der See nahezukommen. Jede Überfahrt erstaunt. „Vom Deck der Fähre aus Ramsgate betrachtet, begrüßt Ostende seine Gäste mit einem steifen Grinsen aus Beton“, schreibt Blass. Wer aussteigt, kann gucken, was in der Kulisse steckt, kann Strand und Promenaden entlangwandern – und eine Kaffeepause machen. Wie bei einem guten Landausflug.

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