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Stimmgewaltig. Der Windsbacher Knabenchor.

© Mila Pavan

Brandenburgische Sommerkonzerte: Himmelsklänge

Mit Bach auf Landpartie in Bad Wilsnack: Der Windsbacher Knabenchor und die Deutschen Kammer-Virtuosen spielen bei den Brandenburgischen Sommerkonzerten.

Donner grollt finster gegen überirdisch schöne Knabenstimmen. Die Zwiesprache zwischen Naturgewalt und klassischer Musik gehört zu den Spezialitäten der Brandenburgischen Sommerkonzerte. Eigene und eigenwillige Interpretationen, die dabei entstehen, tragen auch zur ungebrochenen Anziehungskraft der Landpartien bei. Bach im Kurort Bad Wilsnack stand am Sonntag auf dem Programm, unter anderem das Himmelfahrts-Oratorium mit dem Windsbacher Knabenchor und den Deutschen Kammer-Virtuosen Berlin.

Schon lange vor Beginn sieht man klassische Ausflugsbilder, gehmüde Städter im Kremser, Stadtführer neben der Silhouette eines riesigen Pilgerfußes, Individualisten bei der Betrachtung der Bilder einer historischen Ausstellung. Der örtliche Freundeskreis hat im Stadtpark Kaffeetafeln unter Zeltdächern aufgebaut und Bleche mit Brombeerkuchen vorbereitet. Gegen Spenden für die Restaurierung der Kirche können sich die Gäste aus einem Korb an frisch gepflückten Mirabellen bedienen oder kreuzförmige Mauersteine als Briefbeschwerer erstehen.

Die Akustik in der Wunderblutkirche St. Nikolai erlaubt einen besonderen Jubelklang

Etwa eine Stunde vor Konzertbeginn entlädt sich dann mit Macht, was lange schon gedräut hatte: Wassermassen stürzen mit solcher Wucht hernieder, als wolle sich der Himmel noch einmal gründlich reinigen, bevor die stimmgewaltigen Knaben ansetzten, um Bachs Vision von „Gott fähret auf mit Jauchzen“ in seine Richtung zu schicken. Die Wunderblutkirche St. Nikolai, ein höchst populäres Pilgerziel für die High Society des Mittelalters, erfährt an diesem Nachmittag eine festlich instrumentierte Renaissance. Aufmerksam registrieren Konzertpilger, wie die Akustik der Kirche Trompete und Oboe einen besonderen Jubelklang gibt, die menschlichen Stimmen dagegen teilweise etwas abfedert, als sei des Dirigenten Martin Lehmanns äußerst behutsame Annäherung an den Zustand „Nun lieget alles unter dir“ noch nicht ehrfürchtig genug.

Zuvor hat er der Motette „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ einen streckenweise fast vergnügten Rhythmus gegeben. Das klingt dann gar nicht nach Beerdigungsmusik, als die es einst verfasst worden war, eher dominiert der Trost einer geradezu tanzbaren Himmelfahrt für alle. Selbst das barock gravitätische Seufzen wirkt hoffnungsvoll hin auf den „süßen Trost“ am Schluss.

Das Schlussstück weckt Assoziationen ans Weihnachtsoratorium

Die Kantate „Lobet Gott in seinen Reichen“ spielt schließlich die ganze Kraft des Chores aus. Magdalene Harer füllt mit der Arie „Jesu, deine Gnadenblicke“ die Kirche mit einer zwitschernden Fröhlichkeit, die das Donnergrollen geradezu zurückspielt in den Himmel. Der kraftvolle Schlusschoral „Wenn es soll doch geschehen“ weckt Assoziationen ans Weihnachtsoratorium. Vielleicht würde dieses Bach’sche Opus ähnliche Popularität erreichen, wenn man ihm den Zusatz „Vatertags-Oratorium“ gäbe.

Ein letzter Widerhall im Beifallssturm, dann geht’s mit Regers „Nachtlied“ im Ohr zwischen feucht glitzernden Feldern zurück in die Stadt.

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