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Inferno. Die Feuer haben Millionen Tiere getötet.

© dpa

Brände in Australien und der Rock'n'Roll: Diesel, Asche und Staub

Von Midnight Oil über Men at Work bis AC/DC: Warum in Australien auch die Rock’n’Roll-Kultur auf fossilen Brennstoffen aufgebaut ist.

Krise. Welche Krise? Wer glaubt, dass die Welt heute so bedroht sei wie nie zuvor, der kann sich nur nicht gut genug erinnern. Schon in den achtziger Jahren schien der Untergang unmittelbar bevorzustehen. Unklar war bloß, was ihn auslösen würde: Der saure Regen, der, so hieß es, die Wälder sterben ließ, oder das atomare Wettrüsten?

Damals eroberte ein Song die Großraumdiskotheken der westlichen Welt, der mit wuchtigen Rockrhythmen zu sofortigem Handeln aufrief: „How do we sleep while our beds are burning?“ Allerdings handelt der größte Hit der australischen Band Midnight Oil – darüber täuscht das flüchtige Hören hinweg – weder von der ökologischen noch von der nuklearen Katastrophe. Es geht um das Land, das die Kolonialherren den Aborigines gestohlen hatten. Am Ende fordert der glatzköpfige Sänger Peter Garrett mit schnarrend rauer Stimme, endlich fair zu sein und es zurückzugeben: „It belongs to them, we’re gonna give it back.“

Betten brennen nun ganz real

Die brutale Landnahme war der Beginn einer Ausbeutung von Mensch und Natur, deren Folgen sich heute in den verheerenden Bränden zeigen, die in Australien bislang mindestens 26 Menschen sowie Millionen Tiere getötet haben. Zerstört wurde eine Fläche, die größer ist als Niedersachsen. Ganze Städte mussten evakuiert werden.

Betten brennen nicht mehr bloß metaphorisch, sondern real. Und „Beds Are Burning“, dem Lied von 1986, wächst neue Bedeutung zu. Es ist dabei, zur Protesthymne gegen den menschengemachten Klimawandel zu werden.

Peter Garrett hat eine Zweitkarriere als Aktivist und Politiker begonnen. Von 2007 bis 2010 amtierte er als Umweltminister der Labour-Regierung. Im Dezember beklagte er, dass australische Dörfer zu „Geiseln des Klimadesasters“ gemacht, die Vororte von Sydney und Melbourne sogar „auf dem Altar der Untätigkeit gekreuzigt“ würden. Seine eigene Partei forderte er auf, ihr „Eigeninteresse“ aufzugeben und sich der Klimarealität zu stellen.

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Wahrscheinlich gibt es kein anderes Land der Welt, dass neben den wirtschaftlichen Grundlagen auch sein kulturelles Selbstbewusstsein so sehr auf fossilen Brennstoffen aufgebaut hat. Australien ist der weltgrößte Kohleexporteur, nirgends ist der Pro-Kopf Ausstoß von Treibhausgasen größer. Zwischen 1990 und 2018 verdoppelte sich der Kohleabbau.

Midnight Oil, 1976 in Sydney gegründet, haben sich nach einem Song von Jimi Hendrix benannt. Midnight Oil, das ist der Stoff, der die seit Jahrhunderten im Bergbau benutzten Lampen ewig brennen lässt. Wie viele andere australische Bands feiern die Oils – so werden sie liebevoll von ihren Fans bezeichnet – die Freiheit einer Landschaft, deren Weiten nur motorisiert zu bewältigen sind. Ihr erfolgreichstes Album heißt folgerichtig „Diesel and Dust“.

Liebe zu PS-Stärke

Die Liebe zu PS-starken Fahrzeugen gehört zu den wichtigsten Treibmitteln des australischen Rock’n’Roll. Selbst die Punkgruppe Radio Birdman schwärmte von einer „Traummaschine aus dem gelobten Land“, einem in Detroit gefertigten Firebird-Sportwagen der Marke Pontiac.

Wobei den stoisch an ihrem Drei-Akkorde-Konzept festhaltenden Rockdinosauriern von AC/DC das Verdienst gebührt, bereits 1979 darauf hingewiesen zu haben, wohin das Leben auf dem Gaspedal führen kann: über den „Highway to Hell“ direkt in die Apokalypse.

Was die Rockszene von „Down Under“ außerdem zusammenhält, ist der Stolz auf die proletarische Herkunft, wie ihn die aus Melbourne stammenden Men at Work in ihrer gleichnamigen Alternativ-Nationalhymne beschwören. Dort fassen sie die Identität des Landes ironisch in der Trias Bier, Fortbewegung im Kombi und Hippieträume zusammen. Jahrzehntelang war es parteiübergreifend Konsens, dass im Kohlebergbau nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der Energieversorgung liege.

Ein "Kohle-Premier"

Doch die 24 Kohlekraftwerke, die drei Viertel der Elektrizität erzeugen, sind auch mit Abstand die größten Produzenten von Treibhausgasen. Ministerpräsident Scott Morrison, der seit 2018 eine rechtskonservative Koalition anführt, wird „Kohle-Premier“ genannt, weil er einst ein Stück Kohle ins Parlament von Canberra mitgebracht hatte. Mit Lobpreisungen des schwarz schimmernden Rohstoffs wurden Wahlen gewonnen.

Das könnte sich ändern. Wer „beds are burning“ in eine Online-Suchmaschine eingibt, stößt auf Berichte von Menschen, die dem Feuer im letzten Moment entkamen. So erzählt der „Guardian“-Reporter Timothy Lee, wie er mit seiner Familie am Neujahrsmorgen auf einem Campingplatz in New South Wales festsaß. „Der Strom war weg, Asche fiel und die Luft war voller Rauch.“ Die Flucht gelang über den Strand und einen schließlich wieder freien Highway. „Ich weine“, schreibt er. „Aber ich bin auch überwältigt von der Liebe und Großzügigkeit, die ich in dieser Krise erlebt habe.“

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