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Bob Dylan, Literaturnobelpreisträger.

© REUTERS

Noch ein Wort zum Literaturnobelpreis: Bob Dylan fehlt eigentlich nur noch olympisches Gold

Bob Dylan hat als erster Mensch den Literaturnobelpreis, den Oscar, den Pulitzerpreis und viele Grammies bekommen. Er ist ein Sonderfall.

Am Freitagmorgen saß ich in einem Regionalexpress. In Waren stieg eine Gesellschaft ein, ein Dutzend Leute. Ein Paar, Mitte siebzig, feierte mit einem Ausflug seine goldene Hochzeit. Kinder und Enkel waren dabei. Worüber redeten sie? Über den Literaturnobelpreis.

Alle kannten Bob Dylan, auch die Enkel. Und dann sangen sie „Blowin’ in the wind“. Das hätte auch in Indien, Nigeria oder Paraguay passieren können. Gibt es irgendeinen Preis, den dieser Mann nicht verdient hätte? Gebt ihm ruhig auch den Verzinkerpreis für Metallgestaltung, ernennt ihn zum „Brettspiel des Jahres“, das ist okay.

Die entschiedenste Meinungsäußerung in dieser Sache kommt von Irvine Welsh, dem Autor des Romans „Das Sexleben siamesischer Zwillinge“. Sein bekanntestes Werk war „Trainspotting“. Welsh sagt, der Nobelpreis für Dylan komme „aus den ranzigen Prostatas seniler, sabbernder Hippies“. Ich habe mich gewundert, erstens, weil Welsh selber nicht mehr der Jüngste ist, zweitens, weil Frauen meines Wissens gar keine Prostata besitzen und die Hälfte des Preiskomitees aus Frauen besteht.

Sigrid Löffler meldet sich zu Wort

Ein anderer Einwand kommt von der Kritikerin Sigrid Löffler, sie sagt, die schwedische Akademie wolle sich mit der Auszeichnung Dylans „interessant machen“. Ich weiß wirklich nicht, was daran verkehrt sein soll, wenn eine Institution sich interessant machen möchte. Den Vorwurf „mit dieser Entscheidung möchte sich die Akademie bewusst uninteressant machen“, könnte ich besser nachvollziehen.

Auch der Buchhandel reagiert skeptisch. Normalerweise bewirkt der Nobelpreis einen Nachfrageschub, die Bücher des Preisträgers betreffend. Aber von Dylan gibt es kaum was. Ich glaube, kritisch wird die Lage für die Branche erst dann, wenn Papst Franziskus erklärt, Weihnachtsgeschenke widersprächen dem Geist des Evangeliums, und wenn dann auch noch der Deutsche Buchpreis an Herbert Grönemeyer geht.

Leute, die keine Schriftsteller im engeren Sinn waren, haben schon mehrmals den Preis bekommen, zum Beispiel der Politiker Churchill und der Historiker Mommsen, beide herausragende Stilisten.

Dass Literatur auch gesungen werden kann, ist ein alter Hut, ich erwähne nur den Minnesang und das „Abendlied“ von Matthias Claudius.

Bob Dylan ist ein Sonderfall, weil er als erster Mensch den Nobelpreis, den Oscar, den Pulitzerpreis und mehrere Grammies bekommen hat, von den ganz großen Auszeichnungen fehlen ihm nur noch die Goldmedaille bei olympischen Spielen und der „Orden wider den tierischen Ernst“.

Bei seinem ersten Konzert nach der Pressekonferenz von Stockholm hat Dylan diese kleine Sache denn auch mit keinem Wort erwähnt. Er hat einfach, wie immer, sein Programm runtergespielt, unter anderem „Blowin’ in the wind“.

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