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Trifft genau ihr Timbre. Jennifer Hudson spielt Aretha Franklin.

© Universal

Biopic über Aretha Franklin: Die Musik war ihre Rettung

Triumph und Trauma: Das Biopic „Respect“ erzählt, wie Aretha Franklin zur Queen of Soul aufstieg.

Die Sängerin ist im Halbprofil zu sehen, hinter ihr die Silhouetten der Musiker. Das Lied handelt von einem „No Good Heartbreaker“, einem Mann, den sie nicht verlassen kann, obwohl er sie mies behandelt. Weil sie ihn liebt. Sie faucht und schreit, dann setzen die Bläser ein und sie wispert sanft den Refrain: „I ain’t never loved a man the way I love you.“ Ein Meilenstein der Popgeschichte. Und ein Ehedrama.

Mit dem Album „I Never Loved a Man the Way I Love You“ schaffte Aretha Franklin 1967 den kommerziellen Durchbruch. Es war das erste Album, das sie beim Label Atlantic veröffentlichte, und ihr erstes, das sie in den Südstaaten aufnahm. Zumindest teilweise. Die Szenen, in denen die Soulsängerin im legendären Fame Studio in Muscle Shoals, einer Kleinstadt in Alabama, das Titelstück der Platte einspielt, gehören zu den Höhepunkten des Biopics „Respect“.

Jennifer Hudson spielt Aretha Franklin mit atemberaubender Präzision. Ihre Stimme klingt genauso wütend und rau wie beim Vorbild, sie wirft sich mit ganzer Verve in dieses Lied. Niemand hatte Franklin gesagt, dass alle Begleitmusiker Weiße sind. Sie will wieder abreisen, dann fängt die Band zu spielen an, ziemlich funky, und Franklin beginnt zu singen. Bis ihr Ehemann Ted White (Marlon Wayans) aufkreuzt und einen handgreiflichen Streit mit Studiochef Rick Hall (Myk Watford) vom Zaun bricht. Ted ist auch ihr Manager, er will die Kontrolle über sie nicht aufgeben. Ein Fall von toxischer Männlichkeit, wie im Song beschrieben. Die Aufnahmen werden abgebrochen und erst ein halbes Jahr später in New York fortgesetzt.

Aretha Franklin, die vor drei Jahren im Alter von 76 Jahren gestorben ist, hat viele Abstürze und Neuanfänge erlebt. „Respect“, von der südafrikanischen Regisseurin Liesl Tommy inszeniert, erzählt die Geschichte einer gegen viele Widerstände erkämpften Emanzipation. Der Film beginnt 1952 in Detroit. Aretha ist neun und wird mitten in der Nacht von ihrem Vater geweckt: „Wir möchten dich singen hören!“

Forest Whitaker spielt den Patriarchen mit einer Mischung aus Schroffheit und Warmherzigkeit. Aretha läuft im Nachthemd ins Wohnzimmer, vorbei an trinkenden, rauchenden Partygästen, baut sich vor dem Flügel auf und singt ein Boogie-Woogie-Stück. Die Gäste jubeln.

Es ist die Urszene dieser Karriere: ein musikalisches Wunderkind, das vom ehrgeizigen Vater zu Höchstleistungen getrieben wird. Der Baptistenprediger hat den Wohlstand der Familie hart erarbeitet und verlangt von seinen Kindern eiserne Disziplin. Als die Mutter, eine oft abwesende, unermüdlich tourende Gospelsängerin (Audra McDonald), stirbt, hört Aretha auf zu sprechen. Es ist ihre Form der Trauer und zugleich ein Akt der Rebellion gegen den Vater, der sie zu einem Gospel-Auftritt in der Kirche zwingen will. Ihr Klavierlehrer tröstet sie: „Die Musik wird dich retten.“

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Es gibt noch mehr solcher pathetisch vorgetragenen Botschaften, und es stimmt wirklich: Die Musik rettet nicht nur Aretha, sondern auch den Film. Liesl Tommy hat Dramen und Musicals am New Yorker Broadway inszeniert, „Respect“ ist ihre erste Arbeit fürs Kino. Manchmal verliert sich der Plot im Anekdotischen, manchmal wirkt es arg plakativ, wie Lebensstationen und Zeitgeschichte abgehakt werden. Etwa wenn die Sängerin Martin Luther King (Gilbert Glenn Brown) trifft und ihm verkündet, dass sie bei den von ihm angeführten Demonstrationen mitmarschieren will. Er fragt nur: „Willst du vor deinem Vater davonlaufen?“

[In 15 Berliner Kinos; OV im Cinemaxx Potsdamer Platz, Cineplex Neukölln, Delphi Lux, Rollberg und Zoo Palast]

„Respect“ konzentriert sich auf die ersten drei Jahrzehnte von Franklins Biografie, bis zum triumphalen Comeback-Konzert in der New Temple Missionary Baptist Church in Los Angeles, bei dem 1972 „Amazing Grace“ entstand, das meistverkaufte Gospel-Album aller Zeiten. Von einer behüteten Kindheit kann man nicht sprechen. Aretha ist zwölf, als sich bei einer Party ein Mann in ihr Kinderzimmer schleicht und sagt: „Lass uns Spaß haben miteinander.“ Es folgt eine Vergewaltigung. Sie wird schwanger und bekommt den ersten ihrer vier Söhne. Das Trauma begleitet die Sängerin ein Leben lang. Sie kämpft mit Alkoholproblemen, wird von Depressionen eingeholt.

„Kind, du kannst alles singen“, konstatiert die von Franklin bewunderte Jazzsängerin Dinah Washington in einer Szene und fragt: „Aber was willst du singen?“ Die Antwort: „Hits.“ Allerdings weiß die Plattenfirma Columbia, mit der ihr Vater einen Vertrag aushandelt, nichts mit Franklin anzufangen. Sie singt Standards zu Orchesterbegleitung, die Platten floppen. Erst als der Atlantic-Produzent Jerry Wexler (Marc Maron) ihr künstlerische Freiheit einräumt, entstehen Hits, in denen sich der Kampf der Afroamerikaner für Gleichberechtigung spiegelt: „People Get Ready“, „Think“, „Respect“.

Jennifer Hudson, die für ihren Part im Sixties-Soul-Musical „Dreamgirls“ einen Oscar bekam, war noch von Aretha Franklin für die Hauptrolle in „Respect“ ausgesucht worden. Wie Hudson knapp zwanzig Songs der Soul-Diva singt, wie exakt sie deren Intonation, ihr Timbre und ihren Ausdruck trifft, ohne sie zu imitieren, ist großartig. Zum fulminanten Soundtrack findet der Film immer wieder die richtigen Bilder. Die Entstehungsgeschichte des Titelstücks wird zum Exempel einer Selbstermächtigung. „Respect“ stammt von Otis Redding, in seiner Version ging es um einen Mann, der prahlt, alles zu besitzen, was Frauen wünschen.

Aretha Franklin verwandelte das Lamento in eine feministische Hymne, indem sie einen Backgroundchor mit fiesen Sticheleien hinzufügte. Im Film singt sie „Respect“ zum ersten Mal in der Küche, mit einem Kochlöffel als Mikrofon. Bei der Studioaufnahme in New York dreht sich die Kamera einmal um die Sängerin, und plötzlich steht Franklin auf der Bühne des ausverkauften Madison Square Garden. In diesem Moment wird sie zur Königin, zur Queen of Soul.

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