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Zukunftsmusiker. Lahav Shani wurde 1989 in Tel Aviv geboren. Er hat in seiner Heimatstadt Klavier studiert und an der Berliner Eisler-Hochschule Dirigieren.

© Marco Borggreve

Berliner Staatskapelle: Musikzimmer mit Aussicht

Ein begeisternder Abend mit Pinchas Zukerman, Lahav Shani und der Berliner Staatskapelle.

Das Geheimnis einer guten Interpretation der Werke von Edward Elgar lautet: Sie dürfen auf keinen Fall englisch klingen. Nebelige Grautönen machen die Musik des britischen Spätromantikers trist und schwerfällig.

Lahav Shani flutet das Elgar-Violinkonzert am Montag in der Staatsoper dagegen mit südlichem Licht: Und siehe da, die in vielen Aufführungen so schwermütig daherkommende Komposition beginnt tatsächlich zu leuchten, die Musik verströmt sich auf unmittelbar packende Weise.

Was natürlich auch an der Brillanz der Staatskapelle liegt, die mit Verve auf Shanis Zugriff reagiert. Und am Solisten Pinchas Zukerman, der seinen Part so spielt, als handele es sich um ein Werk von Tschaikowsky.

Er betört mit prächtigem, buttercremigen Ton, singt auf seinem Instrument wie ein italienischer Belcanto-Tenor – und versteht es zudem auch noch, das Kleinteilig-Disparate der Violinstimme unter einen ganz großen erzählerischen Bogen zu bringen. Enorme Energieströme fließen da auf der Bühne, statt Grübelei mit stiff upper lip ist pure Leidenschaft zu erleben.

Nicht ans nasskalte Worcestershire, wo Edward Elgar lebte, als er zwischen 1907 und 1910 das Violinkonzert komponierte, sondern an einen strahlenden Morgen in der Toskana muss man im langsamen Mittelsatz denken.

Oscarreife Interpretation

Ja, dies ist überhaupt ein echtes „Zimmer mit Aussicht“-Erlebnis: E. M. Fosters Roman entstand zeitgleich mit Elgars Stück, Pinchas Zukerman, Lahav Shani und die Staatskapelle lassen an diesem kalten Berliner Abend genau jene Atmosphäre sinnlicher Lebenslust entstehen, die James Ivorys Verfilmung des Romans von 1985 so legendär gemacht hat.

Oscarreif ist anschließend auch die Interpretation von Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“: Was der junge Maestro, der am 7. Januar seinen 31. Geburtstag feierte, mit den altbekannten, bis zum Überdruss gehörten Tongemälden anstellt, ist sensationell.

Die gewohnten Tempi weitet er dabei in beide Richtungen, drängt hier auf äußerste Vitalität, reizt die Grenzen des technisch Spielbaren aus, bremst dort stark, setzt auf klangliche Flächigkeit, ohne dass die Binnenspannung darunter leiden muss.

Lahav Shani geht es nie um den Showeffekt. Hier ist nichts für die Galerie gemacht, sondern das Ergebnis eines intensiven Partiturstudiums, gepaart mit exorbitanter Musikalität und einer sehr effektiven Dirigiertechnik.

Diesem Ausnahmekünstler steht die Klassikwelt offen, seit 2018 ist er Chefdirigent des Rotterdams Philharmonisch Orkest, im Herbst übernimmt er von Zubin Mehta die Leitung des Israel Philharmonic Orchestra. Einen Generalmusikdirektoren-Posten an einer Oper hatte er bislang noch nicht. Wenn Berlins Kultursenator Klaus Lederer auf dem Quivive ist, bietet er ihm einen in der Hauptstadt an.

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