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 Berliner Band Die Verlierer beim Konzert im SO36.

© Milan Koch

Berliner Plattenlabel Bretford: Henrietta Bauer und der Punkrock

Das kleine Label Bretford bringt seit dem vergangenen Jahr Alben heraus und managt Bands. Ein Besuch bei der Macherin in Weißensee.

Eigentlich schickt man eine junge Berliner Punkband, die auf Deutsch singt, nicht nach England, um sie dort Konzerte geben zu lassen. Weil: Was soll das bringen? Wer soll sich das anhören? In England mögen die Menschen schließlich offen für alles mögliche sein, aber bestimmt nicht für deutschsprachigen Punkrock. Henrietta Bauer, die Die Verlierer, die es erst seit gut einem Jahr gibt, als Managerin betreut, hat diese im Mai trotzdem für eine Tour auf der Insel gebucht und war selbst vor Ort, um zu erleben, dass ihre Band ziemlich gut ankam, wie sie erzählt. Sogar die Texte wollten die Leute übersetzt bekommen. So wie einst bei Tokio Hotel.

„Stück für Stück schauen, was funktioniert“, nach diesem Motto geht sie die Arbeit an ihrem Label Bretford an, sagt sie. Seit einem Jahr betreibt sie dieses nun. Davor hat sie fünf Jahre lang bei der gut etablierten Berliner Independentplattenfirma Staatsakt gearbeitet. Dabei sei die Lust gereift, etwas Eigenes hochzuziehen. Die Berliner Band Chuckamuck eiste sie von ihrem ehemaligen Arbeitgeber los und setzte mit der Veröffentlichung von deren jüngstem Album dann ein erstes Ausrufezeichen.

Man besucht Bauer in ihrem Büro in Weißensee. Nicht gerade das Zentrum der Berliner Indierockszene, aber mietenmäßig noch halbwegs bezahlbar. Sie selbst wohnt inzwischen auch in der Umgebung, nur zehn Minuten entfernt. „Sehr schön ist es hier“, sagt sie, „und sehr ruhig.“ Nur wenn abends irgendwelche Konzerte in Neukölln stattfinden, überlege sie sich nun schon Mal eher, ob sie sich die weite Fahrt dorthin auch wirklich antun müsse.

 Henrietta Bauer hat Bretford Records im April 2022 gegründet
 Henrietta Bauer hat Bretford Records im April 2022 gegründet

© privat

Begrüßt wird man von ihr und ihrem Hund. Mitarbeiter hat sie keine, die 29-Jährige schmeißt einen Eine-Frau-Betrieb. Dabei wären ein paar helfende Hände langsam durchaus vonnöten, sagt sie. Denn seit Betriebsgründung müsse immer mehr erledigt werden, um das Label am Laufen zu halten. Aber noch könne sie sich finanziell keine Hilfe leisten und außerdem „kann ich mir selbst nur ein richtig mieses Gehalt ausbezahlen.“ Aber so ist das eben, wenn man mit einer kleinen Plattenfirma noch ganz am Anfang steht. „Ich sehe es als Phase“, so Bauer.

Für Chris Imler organisiert sie die Live-Auftritte

Auch bei der Frage, wie sie ihr Label genau positionieren will, bleibt sie vorerst beim erwähnten Leitmotiv „Stück für Stück schauen, was funktioniert.“ Gegründet hat sie ihre Firma, deren Name übrigens nichts mit der englischen Stadt Bradford zu tun hat, sondern beim Brainstorming mit Chuckamuck entstand, um „etwas komplett unabhängig so rauszubringen, wie man sich das wünscht.“ Aber allein mit der Strategie, tolle Platten toller Musiker und Musikerinnen zu veröffentlichen und möglichst gut zu verkaufen, wie das vielleicht noch vor dreißig Jahren möglich war, kommt man heutzutage nicht mehr weit.

Und so erscheinen auf Bretford einerseits Tonträger, andererseits funktioniert das Label aber auch als Plattform, um einem Netzwerk an Musikern und Musikerinnen auch weitere Dienstleistungen anzubieten. Das Debütalbum der Verlierer zum Beispiel ist gar nicht bei Bauers Label erschienen, dafür kümmert sie sich um deren Bookings und Verlagsrechte. Bei Chris Imler, Berliner Schlagzeuger-Urgestein und auch als Solokünstler unterwegs, ist sie ausschließlich für dessen Liveauftritte zuständig. Dafür gibt es für Chuckamuck die volle Rundumbetreuung. Sogar deren Managerin ist Bauer, die somit echt etwas drauf haben muss in Sachen Multitasking.

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Um die umtriebige Graragenrockband und deren Umfeld dreht es sich bei Bretford bislang sowieso stark. Erschienen ist eine Soloplatte von deren Sänger Oska Wild und dem Chuckamuck-Ableger Balcony‘s Paradise. Auch die Verlierer, die übrigens inzwischen nicht nur in Großbritannien bekannt sind, sondern auch in Berlin ein Konzert im Kreuzberger Club SO36 ausverkaufen konnten, setzten sich zum Teil aus Mitgliedern von Bretfords Hausband zusammen.

Und die aktuellste Veröffentlichung auf Bauers Label, eine Soloplatte, die ganz puritanisch nur mit Gesang und Gitarre in einem Wald in Berlin aufgenommen wurde, stammt von dem kanadischen Singer-Songwriter Jeff Clarke. Immerhin ein alter Held von Chuckamuck, wie Bauer zu berichten weiß.

Deswegen auf einen bestimmten Stil festgelegt möchte sie ihr Label dennoch nicht sehen. Was richtig Poppiges auf ihrem Label könne sie sich durchaus auch mal vorstellen, sagt sie. Und ihre nächste, für den Herbst geplante Veröffentlichung von der Berliner Band Wax Legs sei sowieso wieder etwas ganz anderes. „Hardrock-Glam-Punk“ kündigt sie an, mit einem Schuss Black Sabbath obendrauf.

Gesungen wird ier übrigens auf Englisch. Es sollte also kein Problem für Bauer sein, ihrem neuen Label-Mitglied gleich mal eine anständige Tour in Großbritannien zu organisieren.

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