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Der Pop-Künstler Better Person, dessen Alben bei Anton Teichmanns Label Mansions and Millions erscheinen. Foto: promo

© promo

Berliner Label „Mansions and Millions“: Neukölln ist das neue Epizentrum des Pops

Das Label „Mansions and Millions“ ist das Zuhause einer aufstrebenden Pop-Generation. Der Neuköllner Lo-Fi-Sound hat es längst bis in Netflix-Serien geschafft.

Die Jubiläumskonzert von Mansions and Millions mit Magic Island, John Moods und Discovery Zone findet am Freitag ab 20 Uhr im Urban Spree statt.

Was für eine wunderliche Erscheinung er doch abgibt. Zurückgegeltes Haar, aufgeknöpftes Hemd. Elegische Wippbewegungen, gepaart mit einer unterkühlten Ausstrahlung. So steht Better Person auf der Bühne des Heimathafen Neukölln und übergießt das Publikum mit seinen sehnsuchtsgetränkten Liedern. Einzig unterstützt von Backing Tracks aus seinem Laptop und einem Saxofonisten. Der Geist von George Michaels „Careless Whisper“ schwebt im Raum.

Es war das Jahr 1977, als David Bowie und Brian Eno dem Stadtteil huldigten. Die melancholischen Klänge des Melotrons dominieren das Instrumentalstück „Neuköln“ vom Album „Heroes“. Als hätte Bowie schon damals Raum lassen wollen, als ob er ahnte, dass da noch große Stimmen aus dem ehemaligen Arbeiterviertel kommen werden.

Im Jahr 2020 scheint es so weit zu sein. Das Arte-Popkulturmagazin „Tracks“ attestierte Neukölln kürzlich in einem Beitrag „die wohl vitalste Untergrundszene Westberlins seit den achtziger Jahren“. Der Musikjournalist Thomas Venker schrieb, dass die Lo-Fi-Pop-Szene östlich des Tempelhofer Feldes nicht weniger als die „Neudefinition von Indie unter den veränderten Sound- und Politikparadigmen unserer postglobalisierten Welt“ sei. Vieles von dem, was da bejubelt wird, spielt sich im Umfeld des Labels „Mansions and Millions“ ab. An diesem Freitag feiert es sein fünfjähriges Bestehen.

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„Popmusik mit Kante“

An einem regnerischen Morgen sitzt Anton Teichmann im Companion Café in der Weserstraße. Der Kaffee neben ihm ist erkaltet, der Blick ans Smartphone geheftet. Man könne seine Aufgaben als Labelgründer und Manager in einem Wort zusammenfassen: „Kommunikation“. Und momentan gibt es viel zu kommunizieren. Denn 2020 könnte das Jahr sein, von dem man einmal sagen wird, dass Neukölln auf der Pop-Landkarte erschienen ist.

Sicherlich, auch Edgar Froese, der Gründer von Tangerine Dream, kommt von hier. Der Trip-Hop-Musiker Tricky oder Singer-Songwriterin Alice Phoebe Lou zogen her. Doch jenseits der großen Namen wuchs in Neukölln über Jahre eine Szene heran, die einen eigenwilligen Stil ausbildete. „Popmusik mit Kante“ nennt Teichmann das.

Ebenso wie Bowie und Eno einst ist das Gros der Künstler auch heute zugezogen. Da ist die zentrale Identifikationsfigur Sean Nicholas Savage, der von einigen liebevoll „Papa“ genannt wird. Er kam vor einigen Jahren aus dem kanadischen Edmonton. Da ist der in Polen geborene Adam Byczkowski, der hinter dem Künstlernamen Better Person steht. Die Musiker von Magic Island und World Brain haben französische Wurzeln. DENA stammt aus Bulgarien. Und Discovery Zone kommt aus New York.

„Was sollen denn diese kitschigen Achtzigerjahre-Schnulzen?“

Entstanden ist das Label Mansions and Millions einst aus einem losen Freundeskreis. Menschen, die sich an kleinen Veranstaltungsorten wie dem Loophole in der Boddinstraße trafen. Die ihre Musik ins Internet stellten, aber kaum über organisatorische Strukturen verfügten. Bis Teichmann ihnen mit seinem Label ein Dach anbot.

Noch vor zehn Jahren wurde die Neuköllner Subkultur von diversen Spielarten der Gitarrenmusik dominiert. Teichmann erinnert sich an enge Szenekorsetts, die klar definierten, was geht und was nicht. „Unfassbar verpönt“ sei es gewesen, einfach nur zu Backing Tracks zu singen. Sentimentaler Pop hatte nichts an Szeneorten zu suchen.

Auch heute noch gäbe es viele im Publikum, die den Sound seiner Künstler als ironische Hipsterpose missverstehen: „Was sollen denn diese kitschigen Achtzigerjahre-Schnulzen?“ Teichmann lächelt: „Heute kann man sogar in Neukölln zu der Meinung stehen, dass Phil Collins wahnsinnig tolle Songs geschrieben hat.“

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„Erst kommt der Song, dann die Technik.“

2016, als das zweite Popkultur-Festival in Neukölln stattfand, organisierte Teichmann mit lokalen Künstlern das „Off Kultur“ als lokales Gegengewicht. Es sei ihm aufgestoßen, dass internationale Acts mit der vermeintlichen Coolness des ewigen Problemstadtteils Neukölln angezogen werden sollten. Man fühlte sich instrumentalisiert, als etablierte lebendige Szene mit gewachsenen Strukturen ignoriert. Heute ist Mansions and Millions selbst drauf und dran, zur internationalen Popschmiede zu werden. Längst laufen die Songs der Labelkünstler in HBO- und Netflix-Serien.

Einer, dessen Name dabei hoch gehandelt wird, ist Better Person. Seine Synthie-Tristesse, die von einer flehenden Stimme getragen wird, präsentiert er auf der Bühne am liebsten im dichten Nebel. Was seiner Musik den Stempel Smoke Machine Pop einbrachte. Er war der erste Act auf Teichmanns Label, dessen Album auf Vinyl ausverkauft war.

Im Beitrag von Arte steht das Kamerateam irgendwann im sogenannten Studio von Better Person. Ein Laptop, ein Mikrofon, ein Keyboard. Mehr braucht es nicht. Ein Sinnbild für das Arbeiten seiner Künstler, sagt Teichmann: „Erst kommt der Song, dann kommt die Technik.“ Dabei sind die Wohnzimmerproduktionen auch eine zeitgemäße Antwort auf die Herausforderungen der fortschreitenden Gentrifizierung – innenstadtnahe Proberäume sind kaum noch zu finden.

Von Neukölln nach Los Angeles

Ironie der Geschichte, dass Better Person sein Wohnzimmer in diesem Jahr gegen ein Studio in Los Angeles eingetauscht hat. Sein neues Album wird von niemand Geringerem als Ben Goldwasser von MGMT produziert. Im kleinen Neuköllner Club „Internet Explorer“ sprachen die Musiker der Indietronic-Band ihn an. Byczkowski war von seiner eigenen Bekanntheit in den USA überrascht. Heute hat er mehrfach beim Festival South By Southwest in Texas gespielt, der „Guardian“ adelte ihn als „Must-See Act“.

Manchmal, sagt Teichmann, jucke es ihn schon in den Fingern. Dann würde er gerne die Gitarre auspacken, sich für ein, zwei Songs zu seinen Künstlern auf die Bühne stellen. Vorerst muss er sich aber damit begnügen, dass er als Labelgründer ein hervorragendes Fingerspitzengefühl bewies.

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