zum Hauptinhalt
Wo der Holunder brüllt. Holler My Dear mit der österreichischen Sängerin Laura Winkler, 29.

© Traumton Records

Berliner Band Holler My Dear: Blind-Date mit einer Laus

Vier Länder, eine Band: Holler My Dear aus Berlin spielen einen vitalen Pop-Folk-Mix. Jetzt stellen sie ihr Album „Steady As She Goes“ vor.

Mexiko-Stadt, ein Streetfood-Markt. Es ist laut und heiß, die Menschen stehen Schlange. Mittendrin: ein paar Gringos aus Berlin. Als sie an der Reihe sind, wissen sie nicht recht, wie sie sich verständlich machen sollen. Doch ein paar Einheimische, die hinter ihnen warten, helfen sofort. Die Gringos finden das toll und wollen sich revanchieren. „Kommt doch zu unserem Konzert“, sagen sie.

Die Gringos sind nämlich Musiker. Und tatsächlich: Die Einheimischen kommen vorbei – „in mexikanischen Ausmaßen“, sagt Sängerin Laura Winkler im Gespräch. „Das waren 30 Leute und alle total rausgeputzt.“ Die gebürtige Österreicherin, die seit sieben Jahren in Berlin lebt, muss lachen. „Die sind dann wirklich zu allen Konzerten gekommen, die irgendwie in der Nähe waren, und haben uns auch noch rumgeführt in der Stadt. Da ist echt eine Freundschaft entstanden.“

So läuft das, wenn die Band Holler My Dear die Welt bereist. „Ich habe mich da auch als Kulturbotschafterin gefühlt – in beide Richtungen“, erklärt die Frontfrau. „Wir kommen da mit etwas hin, das wir sagen wollen. Gleichzeitig hört man auch ganz viel zu und nimmt ganz viel mit.“ Geschichten zum Beispiel, wie die vom Streetfood-Markt in Mexiko-Stadt oder von ihrem Besuch im Iran, wo sie Songwriting-Workshops für junge Musiker gegeben haben.

Konzert in der Kantine am Berghain

Aber auch Inspiration haben sie mitgebracht: Nachdem Holler My Dear 2016 und 2017 für das Österreichische Kulturforum um den Globus gejettet sind, haben sie eine Platte eingespielt, ihre dritte. „Steady As She Goes“ (Traumton) heißt sie und ist letzten Freitag erschienen. Am heutigen Donnerstag stellt die Band das Album in der Kantine am Berghain vor.

Darauf ist vitale Musik zu hören, alles sehr homogen trotz der vielen Einflüsse. Dynamisch, leicht und fröhlich, als würde die Band durch einen ersten Frühlingstag tänzeln. Doch ihr Sound verleitet nicht nur zu kitschigen Vergleichen, sondern auch zu immer neuen Kategorisierungen. Tatsächlich gibt es kaum ein Genre, das nicht schon in ihren Songs entdeckt wurde: Jazz, Pop, Soul, Funk und Gospel. Von Disco-Folk ist manchmal zu lesen oder von Weltmusik, die trotzdem modern klänge.

Das Sextett selbst sieht die Sache eher entspannt: „Wir schreiben einfach unsere Songs und mal entwickelt sich das in die eine, mal in die andere Richtung“, sagt Laura Winkler. Je nachdem, welches Bandmitglied sich gerade stärker einbringt in den Entstehungsprozess. Akkordeonist Valentin Butt spielt sonst in einer Klezmerband, Lucas Dietrich am Bass, bringt eine Jazz-Ausbildung und am Schlagzeug sitzt Autodidaktin Elena Shams. Trompeter Stephen Molchanski hat früher in einer Londoner Hip-Hop- Combo mitgemacht, nun steuert er bei Holler My Dear den ein oder anderen Rap bei.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Doch angefangen hat alles im Winter 2011. Damals lernt Laura Winkler, noch ganz neu in der Stadt, Fabian Koppri kennen, einen Mandolinenspieler. Die Sängerin war total baff: „Mandoline! Da hat sich für mich eine ganz neue Klangwelt eröffnet.“ Die Österreicherin und der Brandenburger starten als Duo, doch Laura Winkler will mehr: „Die Mandoline war für mich der Ausgangspunkt. Ich habe Ausschau gehalten nach Leuten und Instrumenten, die dazu passen könnten.“

Über Empfehlungen und Zufälle kommt nach und nach der Rest der Band zusammen: Shams und Butt aus Russland, der Engländer Molchanski und Dietrich aus Österreich. „Das war ein bisschen Blind-Date-mäßig“, erklärt Laura Winkler, „aber es hat irgendwie gepasst.“ Gemeinsam nennen sie sich Holler My Dear, was so viel heißt wie: „Brülle, mein Schatz.“ Gleichzeitig versteckt sich darin ein Hinweis auf die Herkunft der Sängerin: Holler – so nennen Süddeutsche und Österreicher den Holunder.

„Laus“ hat eine erstaunliche Präsenz auf der Bühne

So ungezwungen die Entstehung der Band im Rückblick auch erscheint, hatte die Bandleaderin mit den kurzen dunkelbraunen Haaren doch schon von Anfang an ganz konkrete Vorstellungen. „Ich habe Komposition studiert und relativ klar das zu Papier gebracht, was ich will.“ Sie spricht mit dem leichten Singsang ihrer Heimat und lacht gerne. Auch im Konzert. Ihnen werde oft gesagt, dass sie live viel Freude rüberbringen, sagt Winkler. Die Chemie auf der Bühne stimme einfach.

Dort hat die zierliche Frau – Spitzname: „Laus“ – eine erstaunliche Präsenz: Ihre Stimme ist kraftvoll, klar und bleibt dennoch immer Teil des Sounds. Sie zieht gerne mal das Tempo an und singt mit einer Bandbreite, die sie auch ihrer Ausbildung verdankt. Die 29-Jährige studierte erst Gesang in Graz, bevor sie sich an der Berliner Universität der Künste mit Komposition beschäftigte.

Winklers Faible für Musik entwickelte sich schon früh. „Ich habe Musik gemacht, seit ich ein kleines Kind war“, erinnert sich Laura Winkler. „Aber komplett ohne bösen Hintergedanken. Ich hab’s einfach gemacht.“ In ihrer Jugend wollte sie nicht Sängerin werden, sondern zum Theater. Irgendwann meinte eine Schauspiel-Lehrerin, dass Winkler wohl singen werde. So kam es und heute arbeitet sie selbst nebenher als Gesangslehrerin. Ihr „Brotberuf“, wie sie sagt. Doch Holler My Dear ist das Hauptprojekt. „Ich mache den Großteil der Organisation und sehe zu, dass das Ding läuft“, erklärt die Sängerin. „Das ist schon so mein Baby.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Entsprechend übernimmt sie auch den Großteil des Songwritings. Dabei geht Laura Winkler meist von einer inhaltlichen Idee aus, wie sie sagt. „Ich versuche, die Musik als Destillat zu denken. Als eine Zelle, die man einfängt. Dann setze ich mich ans Klavier, lass’ mich treiben und der Text entwickelt sich daraus.“ Auf „Steady As She Goes“ geht es so mal um queere Liebe, dann wieder um die Freundschaft zu Geflüchteten. Auch Kritik an Kommunikationswahn und Emoji-Overkill bringt Laura Winkler unter.

Doch am meisten Spaß macht ihr das Arrangieren: wie sich ein Song aufbaut und wie sie die Stücke auf dem Album platziert. „Ich habe mir ganz viele Gedanken gemacht über Tonarten und wie die Songs ineinander übergehen – auch, wenn das wahrscheinlich total altmodisch ist, weil die meisten Leute eh nur noch streamen“, sagt Laura Winkler. Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Aber vielleicht streamt ja jemand das ganze Album. Das wäre schön.“ Dann lacht sie wieder.

Album-Release-Konzert: 8.2., 20 Uhr, Kantine am Berghain

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false