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Blick auf die Esplanade in Bad Ischl

© Daniel Leitner

Berge, Meer – und Russland als Nachbar: Das sind die Kulturhauptstädte Europas 2024

Kommendes Jahr wird es drei europäische Kulturhauptstädte geben: Bad Ischl, Tartu und Bodø. Wo liegen sie, was planen sie – und was macht sie einzigartig?

Es gibt Worte, die sich nicht entscheiden können, ob sie positiv oder negativ sein wollen – sie sind doppelt konnotiert. Tauben zum Beispiel gelten zugleich als Friedensbringer und Ratten der Lüfte, Schweine stehen für Unreinheit, aber auch für Glück. Mit Salz verhält es sich ähnlich: Die Suppe kann versalzen sein, doch Jesus sagt – und meint das eindeutig positiv –: „Ihr seid das Salz der Erde“.

Im Salzkammergut ist völlig klar, was sie von dem weißen Kristall halten: Die Region verdankt ihm alles, es hat sie geprägt, seit Tausenden von Jahren. Bereits 3000 v. Chr. bauten die Menschen hier Salz ab, auch heute noch. Ein Grund, warum das Salzkammergut und sein Hauptort Bad Ischl zur Kulturhauptstadt Europas 2024 ernannt wurden.

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Erinnert werden soll damit an eine uralte Kulturtechnik. Denn Salz war natürlich nie in reiner Form im Gestein, es musste mit Wasser – der sogenannten Sole – gelöst werden, die man in kilometerlangen Pipelines geführt hat. Zum Beispiel ins Bad Ischler Sudhaus, wo Wasser und Salz getrennt wurden. Das Gebäude soll jetzt in ein Kulturzentrum umgewandelt werden, damit Stadt und Region nachhaltig vom Titel Kulturhauptstadt profitieren – eine der Bedingungen für seine Vergabe.

Die Kaiservilla in Bad Ischl war die Sommerresidenz von Franz Joseph I. und Elisabeth. Das Bild oben zeigt das winterliche Bad Ischl.
Die Kaiservilla in Bad Ischl war die Sommerresidenz von Franz Joseph I. und Elisabeth. Das Bild oben zeigt das winterliche Bad Ischl.

© ©kuscheiart ©www.badischl.at

Bad Ischl – nicht zu verwechseln mit dem Corona-Hotspot Ischgl – ist natürlich auch jenseits des Salzes ein interessanter Ort, als Sommerfrische der Habsburger im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Franz Joseph unterschrieb hier in der Kaiservilla 1914 die Kriegserklärung an Serbien, die bekanntlich zum Ersten Weltkrieg und damit dem Untergang seines Reiches führte.

Auch später war das Salzkammergut ins Kriegsgeschehen involviert: 1943 entstand wenige Kilometer von Bad Ischl entfernt das KZ Ebensee, wo Raketen für das NS-Regime gebaut werden sollten. Die japanische Künstlerin Chiharu Shiota, die seit 30 Jahren in Berlin lebt und mit riesigen Installationen aus Fäden, Schuhen und Kleidern bekannt geworden ist, wird im Stollen des früheren Konzentrationslagers an die Insassen erinnern.

Doch die EU vergibt den Titel Kulturhauptstadt schon lange nicht mehr an nur einen Ort. Seit 2004 sind es mindestens zwei, häufig auch drei Städte, so wie 2024. Und damit nicht genug: Auch die umliegenden Regionen werden einbezogen. Das Profil einer Kulturhauptstadt verwischt dadurch, andererseits können mehrere Gebiete und Menschen – hoffentlich nachhaltig – unterstützt werden. Tartu, die zweitgrößte Stadt Estlands, sowie das ganze südliche Estland tragen den Titel im kommenden Jahr ebenfalls.

Blick von oben auf das estnische Tartu, die zweitgrößte Stadt des Landes.
Blick von oben auf das estnische Tartu, die zweitgrößte Stadt des Landes.

© Maanus Kullamaa

Sehenswert sind die gesamte Altstadt Tartus sowie die teilweise restaurierte Ruine des Doms. Das Motto der Feierlichkeiten: „Arts of Survival“. Gemeint sein soll damit „das Wissen, die Fähigkeiten und die Werte, die uns helfen werden, auch in Zukunft ein gutes Leben zu führen“, heißt es bei den Veranstaltern. Doch darf man die „Kunst des Überlebens“ wohl getrost auch auf die geografische Lage Tartus beziehen: Die russische Grenze ist nicht weit entfernt, die Bedrohung des Baltikums durch den kriegführenden Nachbarn im Osten ständig präsent.

Die dritte europäische Kulturhauptstadt 2024 liegt nochmal ein gutes Stück weiter im Norden, es ist sogar die erste nördlich des Polarkreises. Wer ins norwegische Bodø reist, trifft auf wildzerklüftete Natur, raue See und herzliche Menschen. Die Stadt gilt als das Tor zu den Lofoten, möchte jetzt aber – wie auch der umliegende Nordland-Kreis – als bedeutender Ort eigenen Rechts auf sich aufmerksam machen.

Lange konnte man von einer „Stadt“ allerdings kaum sprechen, noch Mitte des 19. Jahrhunderts hatte das in Konkurrenz zu Bergen gegründete Bodø weniger als 300 Einwohner. Erst als sich infolge einer Laune der Natur die großen Heringsströme hierher verlagerten, änderte sich das. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten die Deutschen die Stadt fast vollständig, sie wurde nach rein funktionalistischen Gesichtspunkten wiederaufgebaut. Heute leben hier über 50.000 Menschen.

Auf dieser Bühne soll das Kulturjahr in Bodø eröffnet werden. Das Bild zeigt eine Illustration.
Auf dieser Bühne soll das Kulturjahr in Bodø eröffnet werden. Das Bild zeigt eine Illustration.

© Bjørnådal Arkitektstudio

Sehenswert sind das Nordland Museum, die Schanze Nyholmen, eine Befestigungsanlage auf der Halbinsel Burøya, oder der größte Gezeitenstrom der Welt, der Saltstraumen 30 Autokilometer südlich von Bodø. Aufgrund des von diesem Strom beförderten Fischreichtums ist der Küstenabschnitt auch die umfassendste Brutstätte von Seeadlern weltweit.

Eröffnet werden soll das Kulturjahr in Bodø am 3. Februar 2024 auf einer spektakulär gewundenen schwimmenden Bühne im Hafen, beteiligt an der Planung ist das Berliner Künstlerkollektiv Phase 7.

Rund 1000 Veranstaltungen sind allein in Bodø geplant, darunter das „nachhaltigste Popkonzert der Welt“ am 22. Mai, eine große Feier zur Mittsommernacht am 22. Juni und ein Nordlicht-Festival im November. Außerdem soll arktisches Essen im Mittelpunkt stehen, eine Ausstellung beschäftigt sich mit Knut Hamsun, dem norwegischen Literaturnobelpreisträger und Hitler-Anhänger. In einer unterirdischen Höhle soll ein mit mehreren Kameras weltweit gestreamtes Konzert stattfinden, bei dem alle Teilnehmer ausgebildete Höhlentaucher sein müssen. Stollen und Grotten gibt es eben nicht nur im Salzkammergut.

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