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In München fand 1937 der „Festzug 2000 Jahre Deutsche Kultur“ statt. Im Hintergrund: das Großmodell der „Zeppelinfeld“-Tribüne auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgebände. 

© Die Kunst im Dritten Reich 1 (1937) Heft 7/8

Bauen im Nationalsozialismus: Rassismus war die Grundlage

Die Ausstellung „Macht Raum Gewalt“ in der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz zeigt: Bauen im Nationalsozialismus war weniger Stil- als Organisationsfrage.

Das Bauen war ein zentraler Teil der Selbstdarstellung des nationalsozialistischen Regimes. Durch ein atemberaubendes Subventions- und Aufrüstungsprogramm wurden Millionen Reichsmark in die Wirtschaft gespült, es wurde der gigantomanische Ausbau Berlins zur Welthauptstadt „Germania“ geplant, die rassistische Neuordnung der Bevölkerungen Mittel- und Osteuropas – für die von Beginn an die millionenfache Vertreibung und Ermordung von Juden und Polen vorgesehen war –, die Radikalsanierung von Altstädten. Aber auch Gestaltungsvorschläge wurden propagiert für Wohnungen, die zwar etwas bieder, aber durchaus modern und wohnlich erscheinen.

All dies ist Thema der neuesten Ausstellung zum Thema Bauen im Nationalsozialismus, zu sehen in den Räumen der Akademie der Künste am Pariser Platz – also genau dort, wo Albert Speer und seine Architekten in fußläufiger Entfernung zur Reichskanzlei Adolf Hitlers Monumentalbauten errichteten und die Kriegswirtschaft sowie die Ausbeutung und Ermordung von Juden und Zwangsarbeitern planten. Klar wird: KZs und Lager waren eben nicht Auswüchse, sondern Teil des planerischen Alltags.

Entwicklungslinien werden deutlich

Radikal gegen alles Gruseln und gegen alles Pathos ist deswegen die Inszenierung der Ausstellung von Roswitha Kötz gerichtet, mit Lattengestellen, an die Pläne, Zeichnungen, Fotografien, Dokumente getackert wurden. Allein im letzten Saal eröffnet sich eine Zentralperspektive auf riesige Fotos von – zu Gedenkstätten umgebauten – einstigen Konzentrationslagern. An den Wänden hängen 150 Biografien beteiligter Architekten und Architektinnen. Sie zeigen auch, wie nahtlos nach 1945 Karrieren fortgesetzt und Verwaltungsstränge bis hinein in die heutige Bundesrepublik intakt geblieben sind.

Zu sehen ist das Resultat eines fünfjährigen Projekts, an dem im Auftrag des Bundesbauministeriums 28 Forscherinnen und Forscher und ihre Teams beteiligt waren. Das Bundesbauministerium wollte erfahren, wie die deutsche Raumordnungs-, Planungs- und Baupolitik und ihre vielen Institutionen seit 1933 agierten, welche ideologischen Konzepte sie vorantrieben, wer mit wem um Einfluss, Macht und damit Finanzen konkurrierte, wie Karrieren aufgebaut wurden.

Gewaltiges Forschungsprojekt

Vorgelegt wurde nun ein gewaltiger, vorzüglich illustrierter Forschungsbericht in vier Bänden mit mehr als 1300 Seiten und 1024 Abbildungen; ihm gebührt allerdings eine eigene Rezension, zumal er trotz der staatlichen Förderung sehr teuer geriet (Hirmer Verlag, München 2023, 220 Euro bis 30.4., danach 270 Euro).

Dass in der Ausstellung das Bauen des Terrorstaats besonders betont wird, entspricht der Forschungstradition. Dass aber der inzwischen viel debattierte Modernisierungsfaktor dieser „Zustimmungsdiktatur“ so wenig sichtbar wird, erstaunt doch: Deutsche Reihenhäuser aus den 1930ern sehen kaum anders aus als solche in Dänemark oder solche in der Bundesrepublik aus den 1950ern.

Neue Hüllen für die Kultur

Das Reich finanzierte auch seit 1933 die Neu- und Umgestaltung von Museen, Theatern, Schulen oder Universitäten mit, bis hin zum Pavillon auf der Biennale in Venedig. Denn das Bauen für die Kultur gehörte zum Gesamtbild. Der Vergleich zur Sowjetunion und zu Mussolinis Italien und sogar zur New-Deal-Planungskultur der USA dagegen wird immer beigebracht – da wirkt sich die allerneueste Forschung aus dem Umkreis von Harald Bodenschatz aus.

Klar wird aber, wie Wolfram Pyta, einer der Kuratoren und Leiter des Projekts, im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagt: Auch die Baupolitik der Nazis lebte von der Konkurrenz der Machtebenen und Institutionen im Regime, die ungeheure Energien produzierte. Dass das legendäre Kuppelmodell für „Germania“ nur einen schmalen Korridor erhält, ist also folgerichtig: Es war nur ein Teil von Bauplanungen, die aber, etwa über eine in den 1940er-Jahren durch Europa geschickte, sehr erfolgreiche Ausstellung über neueste deutsche Architektur, erheblich zur Legitimierung des Regimes beitrugen.

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