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CITY Lights: Bälle und Busen

Das Arsenal-Kino, Berliner Großpflegestelle für Filmkunst und Filmhistorie, gilt nicht gerade als originäre Heimstatt Berliner Fußballbegeisterung. Doch was soll man sagen, wenn am Montag ausgerechnet Joaquim Pedro de Andrades Biopic Garrincha, Alegria do Povo auf dem Programm steht?

Das Arsenal-Kino, Berliner Großpflegestelle für Filmkunst und Filmhistorie, gilt nicht gerade als originäre Heimstatt Berliner Fußballbegeisterung. Doch was soll man sagen, wenn am Montag ausgerechnet Joaquim Pedro de Andrades Biopic Garrincha, Alegria do Povo auf dem Programm steht? Trotz seiner bald 50 Lebensjahre dürfte es Fans besonderes Fußballglück versprechen. Denn das 1963 entstandene Porträt der brasilianischen Fußballerlegende Mané Garrincha ist auch eine leidenschaftliche Hommage an Ballkunst und Fankultur der Nation, die 1958 und 1962 den Weltmeister stellte. Allerdings ist „Garrincha“ wohl der einzige Arsenal-Fußballfilm der kommenden ballverrückten Wochen und eher zufällig einer Retrospektive zu verdanken, die Andrade mit sämtlichen acht kurzen und sieben langen Filmen in digital rekonstruierten Fassungen ehrt. Der 1932 in Rio geborene Filmpoet war neben Nelson Pereira dos Santos und Glauber Rocha eine der Hauptfiguren der Cinema-NovoBewegung, die das brasilianische Kino neu erfinden wollte und eine enge Allianz mit dem sogenannten Tropicalismo einging. Mit im Programm ist auch Andrades populärster Film Macunaíma von 1969 (morgen Abend), eine mythische Romanverfilmung, die die Tradition des Cinema Novo mit populären Komödientraditionen und dem aufmüpfigem Geist der Spätsechziger befruchtete und zum größten Kinoerfolg Andrades wurde.

Am Ende von „Macunaíma“ wird der wandelbare Held von einer SüßwasserAmazone verschlungen. In seinem Kurzfilm Vereda Tropical (Sonntag im Kurzfilmprogramm) verfällt der Ich-Erzähler und bekennende Obst-Fetischist überzeugend einer Wassermelone als Objekt erotischer Begierde. Vom prallen Obst zu den legendären Riesen-Tittenfilmen des US-Filmemachers Russ Meyer ist es nur ein Gedankenschrittchen. Auch amazonische Querassoziationen bieten sich angesichts von Faster, Pussycat! Kill! Kill! (1965) an, dem schrillen Highlight im Werk des längst kanonisierten B-PictureMeisters, das Montag bis Mittwoch im Rahmen einer Russ-Meyer-Hommage im Lichtblick läuft und als US-dekadentes Männer-Angst-Gegenstück zu Andrades postkolonialer Fantasie gut passt. Vor 30 Jahren wurden Meyers melonenbusig männermordenden Wüstenamazonen zu Recht auch als feministisch befreiend gefeiert; heute interessieren wohl eher die filmischen Bezüge des gut motorisierten und schlagkräftigen All-Frauen-Teams.

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