zum Hauptinhalt
Es geht wieder los am Wörthersee mit dem Bachmann-Lesen....

© Robert Schumann/ORF/Bachmannpreis

Bachmann-Preis 2022: Wie eine Blume begossen

Würdeloses Wettlesen oder ein Fest der Literatur? Am heutigen Mittwochabend wird der Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt eröffnet.

Ob sich an diesem Mittwochabend, da die 46. Tage der deutschsprachigen Literatur bei gar nicht mal so gutem Wetter (20, 21 Grad, Regenschauer) eröffnet werden, der eine oder die andere noch einmal alter Zeiten erinnert? Etwa an den allerersten Wettbewerb 1977, den der aus Klagenfurt stammende Dichter Gert Jonke gewann?

Damals urteilte Sigrid Löffler im österreichischen „Spiegel“-Pendant „Profil“: „Ein würdeloses Wettlesen, bei dem eine auf der Strecke blieb – die Literatur – und einer profitierte – der Suhrkamp-Verlag. Drei Pferdchen aus dem Suhrkamp-Stall (Jonke, Fröhlich, Laederach) als Bestplatzierte, ein Pferdchen (Struck) sensationell gestürzt – Stallbesitzer Unseld wird sich gratulieren dürfen.“

Karin Struck war mit ihrem Text durchgefallen und zu Recht empört über das Urteil von Marcel Reich-Ranicki, der ihre Prosa als ein „Verbrechen“ beurteilte und in die Runde fragte: „Wen interessiert schon, was die Frau denkt, was sie fühlt, während sie menstruiert?“ Das ist lange her und heute nicht mehr denkbar.

Monika Helfer trat zweimal auf

Weniger daneben lag Reich-Ranicki mit seiner Löffler widersprechenden Einschätzung, dass das Klagenfurter Lesen vieles in einem sei: „Ein Fest der Literatur. Ein Wettbewerb, bei dem Preise verteilt werden. Ein Dichtermarkt. Eine Art Börse. Eine Arbeitstagung. Eine literarische Modenschau.“

Daran hat sich bis heute nicht so viel geändert. Der Abgleich von Texten stand häufiger mal zur Debatte, nämlich dass man Literatur nicht wie bei einem Sportevent listen könne. Trotz dieser Einsicht wurde manches Mal in den vergangenen 45 Jahren beklagt, wie wenig gut das Vorgetragene sei. Ja, ob man diesen zweit- bis drittklassigen Wettbewerb nicht abschaffen solle, von wegen Literaturfest, Dichtermarkt oder Modenschau.

Doch ein Blick in die jeweiligen Jahrgänge beweist, dass viele Größen oder noch werdende Größen der deutschsprachigen Literatur im ORF-Studio aufschlugen.

Tellkamp gewann 2004

Als sich beispielsweise 1983 Rainald Goetz die Stirn aufschlitzte, waren unter anderem Monika Helfer und Martin Mosebach dabei; als 1990 Birgit Vanderbeke gewann, hatte auch W.G. Sebald einen Auftritt; als Monika Helfer 1999 ein zweites Mal antrat, lasen Thomas Kapielski, Peter Stamm und Terézia Mora, die gewann und ein paar Jahre später Georg-Büchner-Preisträgerin wurde.

Und 2004 erhielt Uwe Tellkamp den Bachmannpreis, und noch immer klingeln die begeisterten Worte der damaligen Juryvorsitzenden Iris Radisch in den Ohren. Wegen der literarischen Fülle und Überfülle in Tellkamps Text fühlte sie sich „wie eine Blume begossen.“

So dürften sich aus diesem 2022er-Jahrgang, der zunächst nur Literaturzirkeln bekannt ist, erneut zukünftige Größen und „Suhrkamp-Pferdchen“ herausmendeln. Am Mittwoch hält die Schriftstellerin Anna Baar die Eröffnungsrede und es wird gelost, wer wann liest. Am Donnerstag, 10 Uhr geht’s los, bis Sonntag, 17 Stunden lang auch live auf 3 Sat zu sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false