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Sängerin und Streetdancer. Nele (Mirjam Mesak) und Kolja (Guido Badalamenti) lernen sich auf der Straße kennen.

© Missing Films

Axel Ranischs Kinosingspiel „Orphea in Love“: Glück braucht keine Worte

An der Komischen Oper hatte gerade seine Inszenierung von Händels „Saul“ Premiere, da folgt im Kino schon der nächste Streich des Regisseurs Axel Ranisch.

„Hallo, hier spielt die Musik!“, putzt die gestrenge Chefin eines Call-Centers (Christina Große) ihre Mitarbeiterin Nele (Mirjam Mesak) runter. Wenn die Zippe nur eine Ahnung hätte, wie recht sie damit hat. Vor den Augen von Träumerin Nele rauscht unversehens eine Opernarie auf, sobald ihr Kollege aus der gegenüberliegenden Legebatterie sich mit einer selbst gefalteten Papierblume in der Hand zu ihr herüberbeugt. Die gesamte Callcenter-Crew verwandelt sich im goldenen Licht eines Tagtraums in einen Opernchor nebst Ballettensemble, dessen Mitglieder schließlich sogar die urplötzlich lächelnde Chefin auf Händen tragen.

Es ist die reine Freude am Musiktheater, die aus Axel Ranischs tragikomischer Kinoromanze „Orphea in Love“ spricht. Als Bühnenregisseur, der an der Komischen Oper gerade eine Inszenierung von Händels „Saul“ herausgebracht hat, als Schauspieler, Podcaster und Fernsehregisseur ist der Berliner omnipräsent. Da blieb fast unbemerkt, dass seit seinem letzten Kinofilm „Alki Alki“ von 2015 acht Jahre vergangen sind. Zuvor hatte sich der sturzsympathische Ranisch mit „Dicke Mädchen“ und „Ich fühl mich Disco“ als Protagonist des German Mumblecore empfohlen, einer Regieströmung, die improvisierte Filme mit wenig Geld und manchmal auch mit Laien realisiert.

In der Unterwelt. Operndiva Adela (Ursina Lardi) und ihr Agent Höllbach (Heiko Pinkowski).
In der Unterwelt. Operndiva Adela (Ursina Lardi) und ihr Agent Höllbach (Heiko Pinkowski).

© Missing Films

Sein Profi-Stammdarsteller Heiko Pinkowski, mit dem Ranisch weiland die Produktionsfirma Sehr gute Filme gegründet hat, ist jetzt in „Orphea in Love“ in der Rolle des Bühnenagenten Höllbach zu sehen. Ein prolliger Finsterling, der die Operndiva Adela (Ursina Lardi) managt und auffällig gute Kontakte in die Unterwelt pflegt.

Unterwelt, das ist das Stichwort für Ranischs Variation auf den antiken Mythos von Orpheus und Eurydike. Wobei Nele, die von der Opernsängerin Mirjam Mesak mit berückender Stimme und Ingrid-Bergman-Gesicht verkörpert wird, diesmal den Orpheus gibt. Nele lernt auf der Straße den Taschendieb Kolja (Guido Badalamenti) kennen, dessen Streetdance-Moves sie bezaubern. Ohne Worte, nur mit den Mitteln Gesang und Tanz, entspinnt sich eine zarte Liebe, deren abruptes Ende ein Autounfall markiert. Um Kolja wieder zu bekommen, muss Nele hinab in den Höllbach-Schlund steigen.

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Ursula Werner als Koljas Peachum, Ursina Lardi als absurd kostümierte und geschminkte Operndiva, Chor und Ballett der Münchner Staatsoper und des Gärtnerplatztheaters. Man merkt „Orphea in Love“ an, dass Axel Ranisch beste Kontakte zur Bühne hat. Gesangliche und tänzerische Exzellenz gepaart mit filmischer Low-Budget-Attitüde, die die Romanze beim Look und den Settings weiter pflegt – das hat was. Ranisch, der auch das Drehbuch mitverfasst hat, inszeniert ein poetisches, mal groteskes, mal trashiges Singspiel, dessen Songs Puccini, Verdi und Wagner komponiert haben.

Gut möglich, dass das Wohlfühlangebot des einstigen Theaterpädagogen Ranisch auch bei Belcanto-Feinden verfängt. Die Idee, ein klassisches Erzählmotiv in Musik und Gegenwart zu verpacken und es dadurch vom Historienstaub zu befreien, ist sonst ja meist eher im Musical-Genre anzutreffen – siehe „Romeo & Julia“. Und natürlich auf der Theaterbühne, deren Nimbus Ranisch durch das Höllenduo Diva und Agent persifliert. Sich selber parodiert er durch die Figur eines Axel-Ranisch-Lookalikes in der Rolle des dicklichen Regietheaterwürstchens, das sowohl der Künstlerin wie auch ihrem Agenten eilfertig in den Hintern kriecht.

Die manchmal etwas holzschnittartige Figurenpsychologie, in der ein Unfall in Neles Vergangenheit ein blutiges Trauma zeitigt, sieht man dem beschwingten Werk ebenso nach wie die mitunter holpernde Erzähllogik. Ist halt ein Film von Axel Ranisch, also immer noch irgendwie Mumblecore. Genau genommen: Oper goes Mumblecore.

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