zum Hauptinhalt
Zetteltraum. Eva-Maria Schöns Collage „Paralleles Labor“ (2018).

© E.-M. Schön

Ausstellung im Gehag-Forum: Kunst und Körperlichkeit

„Entweder und“: Eine Schau im Gehag-Forum zeigt die Positionen von fünf Künstlerinnen und Künstlern, die durch das Körperhafte verbunden sind.

Im „Parallelen Labor“ von Eva-Maria Schön werden eigenartige Lebewesen sichtbar. Schwebende Einzeller, Schachtelhalme und andere Formen, die auf Pipetten aus Papier erscheinen – und fast schon wieder im Verschwinden begriffen sind. Die großen Collagen (je 2200 Euro) leben vom Körper der Künstlerin: All diese Spuren stammen aus ihrer Hand. Eva-Maria Schön, Jahrgang 1947, verfügt über ein ungeheures Vokabular an Finger- und Handbewegungen, die sich als halb abstrakte, halb figurative Motive auf ihren Bildern finden. Manchmal, wie in den Fotogrammen (1100–1900 Euro) im Gehag-Forum (Mecklenburgische Straße 57, bis 15. Oktober), ist es gar der halbe Arm.

Dieses Körperhafte verbindet ihre Arbeit mit den Werken jener vier anderen Künstlerinnen und Künstler, die mit ihr in der Ausstellung „Entweder und“ vertreten sind. Offensichtlich wird dies bei Ellen Keusens zarter Zeichnung bunter Zellwesen. Dabei sind es Farbverläufe, denen Keusen dank des kreisförmigen Abrollens ihres Daumens eine geschlossene Form verleiht. Ihre große Arbeit „Caput Mortuum“ (Preis auf Anfrage) verwirbelt Linien zu einem undurchdringlichen Labyrinth ohne visuelles Zentrum. Die ganze Form ist das Motiv, jede Windung wichtig wie die Etappen eines Lebens, das aus der Gesamtheit seiner Bewegungen besteht. Bei Lutz Koebele-Lipp, Jahrgang 1952, ist der Bezug ohnehin gegeben. Die Strukturen seiner in den Raum greifenden Objekte erkunden das vom legendären Konstrukteur, Philosophen und Designer Buckminster Fuller entdeckte Prinzip der „Tensegrity“. Das Ergebnis sind sich selbst stabilisierende Konstruktionen aus Stäben und Zugelementen, (Preise: 800–3800 Euro), die an visionäre Architekturen denken lassen. Bernhard C. Striebel sorgt dafür, dass sich der Besucher mit dem Körper ins Verhältnis zu seiner komplexen Kunst aus Bild und Wort setzt. Striebels Arbeit erstreckt sich entlang der Fenster, die man abschreiten muss, um den Sinn der fragmentierten Botschaften zu begreifen. Bei Nanaé Suzuki bekommt man die Motive dafür gleich mehrfach zu sehen. Die Gemälde der gebürtigen Japanerin driften in eine surreale Richtung: „Anprobe“ oder „Telefonistin“ (je 2000 Euro) leben von der Vervielfachung des Motivs und lassen die alltäglichen Handlungen wie Rituale wirken. Minimal ist die Differenz – aber genau diese kleine Verschiebung sorgt für Irritation, ein Innehalten, Reflexion.

Auf einem ganz anderen Blatt stehen die Bedingungen, unter denen man die Ausstellung im zweiten Stock der ehemaligen Gehag-Verwaltung erreicht. Mit der Übernahme durch die Deutsche Wohnen hat sich einiges getan. Die Ausstellungsflächen in den Fluren sind nun tipptopp, dafür aber nur noch zugänglich, nachdem man sich an der Pforte mit Namen angemeldet hat und eine Einlasskarte für bestimmte Zonen im Gebäude bekommt. Die Gehag-Ausstellungsreihe, die dieses Jahr ihr 30. Jubiläum feiert, hätte eine neue Präsentationsfläche verdient – und die Deutsche Wohnen sicher die richtigen Immobilien in ihrem Portfolio, um dem verdienten Projekt einen autarken Ausstellungsort zur Verfügung zu stellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false