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Kultur: Aufstand der Frauen

Ich will meinen Mann wiederhaben! Margarethe von Trotta erzählt in ihrem Film „Rosenstraße“ vom Widerstand in der NS-Zeit

Durch diese Straße sind sie alle gezogen. Mischa, Wuschel und ihre Freunde aus der Endzeit-DDR in Leander Haußmanns „Sonnenallee“. Adrian Brody als „Pianist“ Wladyslaw Szpilman im Warschauer Ghetto. Til Schweiger als Max Schmeling im Berlin der Zwanzigerjahre. Die Kulissenstraße auf dem Studiogelände in Babelsberg ist beliebt – und nun zur Rosenstraße geworden, in Margarethe von Trottas gleichnamigem Film.

Februar 1943. Es war eine bleierne Zeit, als im Winter die ersten Bomben auf Berlin fielen. Von Trotta und ihr Kameramann Franz Rath tauchen die Stadt in kühles, blaues Licht, in Dunkeltöne. Nicht nur, weil ein Großteil der Geschichte nachts spielt, in winterkalten Wartestunden vor dem jüdischen Wohlfahrtsamt in der Rosenstraße, das von den Nationalsozialisten zum Sammellager umfunktioniert worden war. Sondern auch, weil Trotta und ihr Team für die Szenen aus den Vierzigerjahren eine andere Ästhetik wollten als für die heutige Zeit: weniger bunt, weniger kulissenhaft, weniger Studioatmosphäre. Am Ende wurde das Filmmaterial ausgebleicht, so dass die Farben verwaschen sind wie auf alten Filmaufnahmen.

Interessanterweise hat diese Ästhetik der Erinnerung einen gegenläufigen Effekt: Die Berlin-Szenen von damals wirken authentisch, gegenwärtig, hautnah. Authentischer als die Rahmenhandlung im heutigen New York. Das liegt nicht an der großen Kulisse und der aufwändigen Ausstattung, sondern an der Strenge, mit der sich von Trotta auf den einen Schauplatz konzentriert: die schmale Rosenstraße hinter dem Alexanderplatz, die Fassade des Gefängnisses, das Häuflein Frauen davor. Man sieht sie warten, warten, warten. Tag für Tag, eine Woche lang. Sie nehmen Kontakt mit den Wachmännern auf, um Nachrichten von ihren Verwandten zu erhalten. Sie schenken Kaffee aus gegen die Kälte. Sie machen einander Mut, gegen die Verzweiflung. Da ist Lena Fischer – Katja Riemann als preußische Adlige –, da ist die kleine Ruth (Svea Lohde), deren Mutter abgeholt wurde, die junge Büroangestellte Klara (Thekla Reuten), die auf ihren Mann wartet, und die resolute Frau Goldberg (Jutta Wachowiak). Irgendwann beginnt Frau Goldberg leise zu rufen; nach und nach stimmen alle ein: „Ich will meinen Mann wieder haben. Wir wollen unsere Männer wieder haben.“

Von Trotta nimmt sich die Zeit, von diesem Warten zu erzählen, in langen Einstellungen, in denen nicht viel passiert. Aus diesem Stillstand entsteht Dynamik: die Dramatik der Verstrickung des Privaten mit der Politik. Weltgeschichte, möglicherweise. Eine Tochter verliert ihre Mutter und findet eine neue, eine Familie bricht auseinander, eine andere entsteht. Polizisten, SS-Männer, Offiziere haben Mitleid, Verständnis oder reagieren brutal, und schließlich gibt Goebbels den Befehl, die Evakuierung auszusetzen. Am Ende sind einige Männer gerettet, ein winziger Sieg im großen Morden.

Dass eine Handvoll deutscher Frauen im März 1943 in der Berliner Rosenstraße vor dem Jüdischen Gefängnis gegen die Deportation ihrer als Juden verhafteten Männer protestiert und damit Erfolg hat – die Männer werden tatsächlich freigelassen – ist eine der wenigen „guten“ Geschichten, die sich aus der Nazizeit erzählen lassen: Geschichten von Deutschen, die keine Mitläufer ware. Von Heldinnen wider Willen. Bislang gab es im Kino den Widerstand der Weißen Rose rund um Hans und Sophie Scholl, das tapfere Sterben des Theologen Dietrich Bonhoeffer sowie die Treue der Hausfrau Lilly Wust zu ihrer jüdischen Geliebten Felice. Also Filme, die entweder das Politische in Augenschein nahmen oder das Private. „Rosenstraße“ erzählt von dem Moment, in dem private Sehnsucht in öffentliche Empörung umschlägt. Von Trotta nennt es einen „Liebesfilm“.

Es sind solche Historienfilme, mit denen Deutschland seinen Platz in der internationalen Kinowelt zu erobern versucht: „Comedian Harmonists“ und „Marlene“ von Joseph Vilsmaier, Max Färberböcks „Aimee und Jaguar“, Rolf Schübels „Gloomy Sunday“. Filme mit immergleichem Personal: Ben Becker, Meret Becker, Lena Stolze, Heino Ferch, Ulrich Noethen, Katja Riemann.

Es sind auch Historienfilme, die im Ausland gefeiert werden und Preise gewinnen. Filme wie Roman Polanskis in Babelsberg gedrehter Ghetto-Film „Der Pianist“ oder Caroline Links „Nirgendwo in Afrika“, der im vergangenen Jahr den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit: Das ist es, was das Ausland von Deutschland erwartet und entsprechend belohnt, zuletzt mit dem Darstellerinnenpreis der Filmfestspiele Venedig für Katja Riemann. Mitte Oktober wird „Rosenstraße“ das Festival des deutschen Films in Paris eröffnen. Und auch beim Europäischen Filmpreis, das lässt sich voraussagen, wird der Film nicht leer ausgehen.

Und doch legt es Margarethe von Trotta auch diesmal nicht auf das Populistische an. Streng geht sie ihr Thema an, wählt düstere Töne, herbe Kinogesichter. Keine Wannsee-Freuden wie in „Aimee & Jaguar“, keine Kostümorgien wie in „Marlene“, keine Unifromen mit Bügelfalten wie in „Comedian Harmonists.“ Ihre Rosenstraßen-Frauen tragen Grau in Schwarz. Humorlosigkeit ist ihr oft vorgeworfen worden, Betroffenheitskitsch. Vorwürfe, die auch ihre Darstellerinnen treffen könnten: Suzanne von Borsody als Gesine Cressphal in den „Jahrestagen“, Barbara Sukowa als Rosa Luxemburg oder als Terroristin in „Die bleierne Zeit“, Angela Winkler in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“.

Nun also Katja Riemann. Der Kinostar der frühen 90er, der bald zu ernst, zu anspruchsvoll wurde für Komödien wie „Der bewegte Mann“ oder „Abgeschminkt“. Sieht man sie als Lena Fischer, versteht man, wieso sie es schwer hatte in den letzten Jahren. Ein Schicksal übrigens, dass sie mit Jürgen Vogel teilt, der als verwundeter Wehrmachtssoldat in „Rosenstraße“ so gut ist wie lange nicht mehr. Auch die Rolle der preußischen Adligen Lena ist keine Glanzrolle. Es ist eine Charakterrolle, in der nicht Glamour, sondern Disziplin gefragt ist. Preußische Tugend. Riemann verkörpert sie geradezu beängstigend überzeugend. Nur einmal, als sie Propagandaminister Goebbels (Martin Wuttke) herumkriegen soll, will Lena Fischer verführerisch wirken, lasziv, glamourös. Und ist doch nur die müde Hausfrau, mit blassem, verhärmten Gesicht. Riemann macht dieses Doppelspiel deutlich – dass Goebbels dieser Frau zu Füßen liegt, ist trotzdem unwahrscheinlich.

Fast so unwahrscheinlich wie die Rahmenhandlung im heutigen New York. Sie ist der größte Schwachpunkt des Films. Die nach Amerika emigrierte Ruth Weinstein (Jutta Lampe) betrauert ihren verstorbenen Mann – und ihre Tochter Hannah (Maria Schrader) macht sich auf den Weg nach Berlin, um nach jener Geschichte zu forschen, die die Mutter nie erzählen wollte: die Geschichte von Lena Fischer, die 1943 die kleine Ruth aufnimmt, als deren Mutter deportiert wird. Wundersamerweise findet Hannah die alte Dame. Wundersamerweise öffnet diese ihr Herz. Und am Ende versöhnen sich alle.

Das ist zuviel des Guten: Obwohl die alte Lena von Doris Schade wunderbar trocken und selbstironisch gespielt wird, obwohl sich auch die oft überagierende Maria Schrader zurücknimmt, wirken diese Szenen hölzerner als die Rückblenden. Wenn schon Einbettung in die Gegenwart, warum dann nicht eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm-Episoden? Die fíktive Gegenwart kann vor der Wucht der Historie nur verblassen.

Ab Donnerstag in 12 Berliner Kinos. Das Buch zum Film (Thilo Wydra: Rosenstraße, 192 S., 19.90 €) erscheint im Nicolai-Verlag.

Christina Tilmann

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