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Chefs unter sich: Leo Blech und Erich Kleiber (r.) 1931.

©  Stiftung Stadtmuseum Berlin

450 Jahre Staatskapelle Berlin: Auf flinkesten Füßen nach Walhall

Die Geschichte der Staatskapelle lässt sich auf CD nachhören: Ein Streifzug von Leo Blech bis Daniel Barenboim.

Wer schreibt, der bleibt. Wenn dieser, bei Schriftstellern, Wissenschaftlern aber auch Journalisten beliebte Spruch stimmt, dann muss man leider hinzufügen: Wer musiziert, verliert. Denn nichts ist so flüchtig wie die Tonkunst. Kaum haben Sänger oder Instrumentalisten die auf Notenpapier verewigten Kompositionen durch ihr Können verlebendigt, ist das Werk auch schon wieder verklungen.

Da hilft nur die Klangkonserve. Auch wenn Fans von Live-Aufführungen darauf schwören, dass eine Aufnahme nur unzureichend festhalten kann, was damals im Saal geschah. Die Aura des Augenblicks ist eben unvergleichlich. Die dokumentarische Funktion eines Mitschnitts aber immerhin unvergänglich. Kaum, dass die nötige Technik dazu erfunden war, hat die Berliner Staatskapelle darum auch schon erste Interpretationen festhalten lassen. Aus dem Jahr 1916 datiert die von Leo Blech dirigierte Ouvertüre zu Mozarts „Hochzeit des Figaro“ – und der heutige Hörer staunt, in was für einem Affenzahn, mit welcher quirligen Lebendigkeit das Orchester damals gespielt hat.

Die ältesten Aufnahmen bieten die größten Überraschungen

Zum Jubiläum hat die Deutsche Grammophon eine Box mit 15 CDs herausgebracht, die einen akustischen Streifzug durch das letzte Jahrhundert der glorreichen Kapell-Geschichte ermöglicht. „Great Recordings“ lautet der Titel der Kollektion, und großartige Aufnahmen sind hier tatsächlich versammelt. Wobei die ältesten Aufnahmen die größten Überraschungen bieten. Denn die Staatskapelle klingt da überhaupt nicht von gestern. Schneidig dirigiert Max von Schillings 1927 das Vorspiel des „Fliegenden Holländers“, die Götter ziehen bei Leo Blechs 93 Jahre alter „Rheingold“-Interpretation auf flinkesten Füßen in Walhall ein.

1929, als Richard Strauss mit der Staatskapelle seine eigenen Tondichtungen „Till Eulenspiegel“ und „Don Quixote“ für die Ewigkeit festhält, ist die Technik noch nicht wirklich in der Lage, die enorme Detailfülle der raffinierten Orchesterbehandlung einzufangen. Wohl aber teilt sich durchs Rauschen der Schellack-Platte der Gestus mit, den der dirigierende Komponist anstrebt: Leger soll es klingen und heiter, vieles wird bewusst al fresco gezeichnet. Nicht auf Perfektion kommt es an, sondern auf die Lebendigkeit des Live-Spiels.

Weitere Höhepunkte sind drei Opernaufnahmen, leider nur in Ausschnitten: 1930 dirigiert Joseph Keilbert einen elektrisierenden „Macbeth“, Wilhelm Furtwänglers 1947er „Tristan und Isolde“- Aufnahme berauscht durch ihre Natürlichkeit, 1955 wird die Wiedereröffnung des zerbombten Opernhauses Unter den Linden mit den „Meistersingern“ gefeiert, die unter Franz Konwitschnys Leitung zu einer beglückenden Leistung des gesamten Ensembles wurden.

Seit 30 Jahren gibt's nur noch Barenboim

Die Epoche, in der Staatskapelle das musikalische Aushängeschild der DDR-Hauptstadt war, feiert auch eine weitere Jubiläums-Box. Auf fünf CDs hat „Berlin Classics“ Aufnahmen versammelt, die für das Label Eterna entstanden sind. Als Dirigenten sind dabei der langjährige Generalmusikdirektor Otmar Suitner sowie Günther Herbig zu erleben.

Die jüngsten drei Jahrzehnte der akustischen Staatskapellen-Geschichte sind von Daniel Barenboim geprägt. Auf der Webseite des Orchesters finden sich in der Rubrik „Veröffentlichungen“ tatsächlich ausschließlich Aufnahmen, bei denen der Name des Chefs auf dem Cover steht, als Dirigent oder als Klaviersolist. Opern von Richard Wagner standen zunächst im Mittelpunkt von Barenboims Interesse, später folgte ein großer Bruckner-Zyklus sowie die Brahms-Sinfonien. Zuletzt widmete sich der Maestro unter anderem dem britischen Komponisten Edward Elgar, dessen erste und zweite Sinfonie er bereits Anfang der 1970er Jahre schon einmal eingespielt hatte.

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