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Wilhelm II. beim Einzug in Jerusalem.

© imago/Artokoloro

Auch Wilhelm II. buchte bei Thomas Cook: Die Reise nach Jerusalem

Der Reisekonzern Thomas Cook ist pleite. Seine Geschichte reicht weit zurück: Auch Kaiser Wilhelm II. ist einmal mit ihm gereist.

Am 14. Oktober 1898 sticht die Yacht Hohenzollern in Venedig mit der kaiserlichen Entourage in See. Wilhelm II. will auch mal Empire spielen. Der britische Tourismuspionier Thomas Cook & Son hat die Pilgerfahrt in den Orient organisiert. Erste Station ist Konstantinopel, von da geht es weiter nach Palästina.

Das Deutsche Reich verfolgt vielfältige Interessen in diesem Teil der Welt. In der osmanischen Hauptstadt wird, neben anderen wirtschaftlichen Großprojekten, der Bau der Bagdad-Bahn bis zum Persischen Golf vereinbart. Und schon 1899 beginnen in Babylon die Ausgrabungsarbeiten der Deutschen-Orient-Gesellschaft. Die gigantischen Ruinen von Baalbek begeistern den „Reise-Kaiser“ so sehr, dass er auch dorthin sogleich deutsche Archäologen schickt. Baalbek, im heutigen Libanon gelegen, ist nicht mit der Eisenbahn zu erreichen, so stellt die Cook’sche Reiseorganisation 1300 Pferde, 100 Kutschen, 230 Zelte auf die Beine, dazu kommt eine gewaltige Dienerschaft und militärische Begleitung. Der Kaiser beklagt sich über Hitze und Staub.

In Damaskus hält der imperiale Luxus- Pilger eine Rede, die den Schulterschluss mit Konstantinopel bekräftigt. Die nur wenige Jahre zurückliegenden Massaker an den Armeniern, die Sultan Abdul Hamid II. zu verantworten hat, spielen keine Rolle. Wilhelm II. sagt: „Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, die, auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, daß zu allen Zeiten der deutsche Kaiser ihr Freund sein wird.“

500 Maultiere, Hunderte von Koffern

Thomas Cook bucht die Unterkünfte und sorgt für die Bewegung, die Rede ist von 500 Maultieren und Hunderten Koffern. Mit unwegsamem Gelände und schwieriger Logistik kennt sich die 1841 gegründete Firma aus; in Afrika hat Cook britisches Militär transportiert. Höhepunkt der Kaiser-Reise wird der Einzug in Jerusalem. Der deutsche Monarch reitet hoch zu Ross und in Uniform durch das Jaffa-Tor, Hindernisse wurden abgerissen, Triumphbögen errichtet, der protestantische Heiland mag es protzig.

Am 31. Oktober, dem Reformationstag, weiht er die Erlöserkirche ein. Vertreter aller evangelischer Kirchen der Welt sind geladen. Wenig zu feiern dagegen hat Theodor Herzl, der Präsident der 1897 gegründeten Zionistischen Weltorganisation. Er sucht in Jerusalem die Zeltstadt des Hohenzollern auf, der im Heiligen Land wie ein Sultan logiert. Wilhelm hat wenig Verständnis für Herzls Idee vom einem jüdischen Staat in Palästina, er lässt ihn abblitzen.

Sechs Wochen dauert die Reise, eine bizarre Ballung von Geschichte und Strategie, Finanz- und Wirtschaftspolitik, Religion und Kultur. Von den Ausgrabungen, die damals angestoßen wurden, lebt die Berliner Museumsinsel bis heute. In der Erlöserkirche hat der Kaiser gesprochen: „Von Jerusalem kam der Welt das Licht, in dessen Glanze unser deutsches Volk groß und herrlich geworden ist (...) Wie vor fast zwei Jahrtausenden, so soll auch heute von hier der Ruf in alle Welt erschallen, der unser sehnsuchtsvolles Hoffen in sich birgt: Friede auf Erden.“

Bald stehen das Deutsche Reich und Großbritannien, Thomas Cooks Heimat, im Krieg. Im Ersten Weltkrieg, er kostet 17 Millionen Menschen das Leben. „Und Friede auf Erden“ ist auch der Titel eines Romans von Karl May um 1900. Darin drückt sich seine Ablehnung des wilhelminischen Militarismus aus. Und seltsame Koinzidenz jetzt: Thomas Cook ist pleite, und wir haben unser Kaiser-Wilhelm-Schloss wieder.

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