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Die goldene Bauhinie, die Nationalblume Hongkongs, erinnert an den 1.7.1997, den Übergabetag Hongkongs an China.

© Minh An Szabó de Bucs

Arte-Doku über Hongkong: Stiller Protest und versteckte Codes

Hongkong ist unter Chinas Einfluss auf dem Weg zum autoritären Staat. Wie Künstler mit der zunehmenden Zensur umgehen, zeigt eine Reportage.

Nur noch privat kann man kritisch über den Staat diskutieren, draußen im öffentlichen Raum geht es nicht mehr. Auf Basis des neuen Nationalen Sicherheitsgesetzes sind in Hongkong bereits etliche unliebsame China-Kritiker wie der Verleger Jimmy Lai verurteilt worden.

Die ehemalige britische Kolonie wurde 1997 an China zurückgegeben und hält eigentlich bis zum Jahr 2047 den Status als Sonderverwaltungszone. Doch nach der von China beendeten pro-demokratischen Revolution 2019 wird der Griff der kommunistischen Partei immer strenger. Das bekommen auch die dort lebenden Künstler zu spüren.

Viele haben das Land bereits verlassen, zum Beispiel in Richtung Taiwan. Andere bleiben, um die Fahne der Freiheit hochzuhalten. Die Berliner Autorin und Regisseurin Minh-An Szabo de Bucs hat Künstler, Filmemacher und Musiker in Hongkong getroffen und sie in ihren Studios besucht. Die wiederum setzen viel aufs Spiel, wenn sie vor der Kamera sprechen.

Im Flüsterton

Die 50-minütige arte-Dokumentation „Hongkong - Protest. Zensur. Kunst“ zeigt, welche Wege die Künstler einschlagen, um mit den zunehmenden Repressionen umzugehen. „Es wird konservativer und immer weniger kosmopolitisch“, sagt Samson Young, der mit Video, Performance und Musik arbeitet und weltweit ausstellt. Er hat den chinafreundlichen Hongkonger Gewerkschaftschor dazu gebracht, im Flüsterton die Weltverbindungshymne „We are the world“ zu hauchen. Mit dieser vielsagenden Szene beginnt die Doku.

Filmemacher Kiwi Chow ist bisher unbehelligt davongekommen. Doch er rechnet jederzeit damit, verhaftet zu werden. Chow hat die Doku „Revolution of our times“ über die Proteste 2019 veröffentlicht, in der die Gewalt zwischen Polizei und Demonstranten zu sehen ist. Ein Tabuthema in Hongkong. Ebenso wie das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 auf Chinas Geheiß hin nicht mehr angesprochen werden darf. Die Urheberrechte an seinem Film hat Chow inzwischen verkauft, um den Behörden, die Luft aus den Segeln zu nehmen. In Hongkong dreht er aktuell nur noch Liebesfilme. Sein Widerstand besteht darin, im Land zu bleiben.

Tiananmen-Massaker darf nicht erwähnt werden

Die versteckten Codes, die Samson Young und andere in der Kunst und im Alltag verwenden, sind nur für Eingeweihte zu entschlüsseln. Etwa das Spiel mit dem kantonesischen Schriftzeichen für Hongkong, das gekippt den Slogan „Weiter so!“ ergibt. Eine Ermunterung, weiter für Demokratie einzustehen.

Wo derzeit die roten Linien für die Kunst verlaufen, ist niemandem so ganz klar. Das kürzlich eröffnete, international gehypte Museum für visuelle Kultur M+ hatte bereits seinen Skandal, weil es ein Werk des chinesischen Künstlers Ai Weiwei von seiner Webseite entfernt hat: ein Foto mit Ai Weiweis Stinkefinger vor dem Platz des Himmlischen Friedens. Direktorin Suhanya Raffel spricht diplomatisch, die Kulturpolitik entscheide, was erlaubt sei. Und auch der Schweizer Uli Sigg, der seine prominente Sammlung chinesischer Gegenwartskunst an das M+ gab, kann nur gute Miene zum bösen Spiel machen.

Hongkong ist unter Chinas Einfluss auf dem Weg zum autoritären Staat. Noch findet die Kunst ihre Nischen. Gefährlich ist es trotzdem. Alle, die sich vor der Kamera äußern, gehen ein hohes Risiko ein. Umso mehr lohnt es, diesen Film zu sehen. Wie lange wird China brauchen, um Hongkongs freiheitliche Identität zu brechen? Kommen die Künstler dagegen an? Mit einer Bruce-Lee-artigen Mischung aus Kraft und Anpassungsfähigkeit könnte der dortigen Kunstszene ein eigener Weg gelingen, so das überraschend zuversichtliche Fazit der Doku.

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