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Zur Zeit der Teilung Indiens 1947 erreicht ein Zug mit Geflüchteten Amritsar, die Grenzstadt zwischen Indien und Pakistan.

© imago images/United Archives International

Arif Anwars Roman „Kreise ziehen“: Aus Burma 1942 bis ins heutige Washington

Arif Anwar erzählt in seinem Familienepos von den im 20. Jahrhundert ausgetragenen ethnischen und religiösen Konflikten auf dem indischen Subkontinent, die bis in die Gegenwart reichen.

Im Original heißt Arif Anwars Roman „The Storm“. Auf Deutsch ist „Kreise ziehen" daraus geworden. Diese Kreise beziehen sich nicht nur auf das mystische Aum, Anfang und Ende, sondern auch auf das, was der in Bengalen geborene und in Toronto lebende Autor in seinem Familienepos ausmalt. 

Es setzt 1942 in Burma, Indien und Ostpakistan ein und reicht bis in die jüngere Gegenwart in Washington. Das gilt auch für den Zyklon, der 1970 über dem ostpakistanischen Chittagong losbrach und womöglich die Abspaltung Ostpakistans vom Bruderland auslöste.

Eingebettet in diesen Rahmen erzählt Anwar die Geschichte der armen muslimischen Fischerfamilie Jalada in Chittagong. Und die des wohlhabenden kinderlosen Paares Rahim und Zahira Choudhury, das 1946, ein Jahr, bevor das Land auseinanderbricht, in Kalkutta zwischen die Fronten von Hindus und Moslems gerät. 

In dritter Generation verflochtene Patchworkfamilien

Die Choudhurys gehören der muslimischen Minderheit an, Rahim ist in einem britischen Unternehmen tätig. Als er von Hindus entführt wird, siedeln die Choudhurys nach Chittagong über.

15 Jahre später, im November 1970, packt Honufa Jalada gerade ihre Habseligkeiten zusammen, während ihr Mann Jamir noch draußen auf dem Meer ist. Ihren kleinen Sohn Shahryar bringt sie bei Rahim in Sicherheit. In dritter Generation tauchen die verflochtenen Patchworkfamilien in der Gegenwart der US-Hauptstadt Washington wieder auf.

Anwar verkettet die Kreuzungspunkte seiner Figuren in teils kurzen, dramaturgisch geschickt verwobenen Szenen. 

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Sein Roman thematisiert die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgetragenen ethnischen und religiösen Konflikte auf dem indischen Subkontinent, aber auch die neokolonialen Ansprüche, die unter dem Deckmantel des Antikolonialismus etwa von Japan in Burma reklamiert werden. 

Arif Anwar, der für NGOs unter anderem in Myanmar gearbeitet hat, kennt sich gut aus mit nicht-militärischen Sprengstoffen, mit Wetterkatastrophen oder mit der Armut. 

Seine konventionelle Sprache macht die Geschichte gut konsumierbar; hin und wieder irritiert Anwar durch ein den heimischen Erzähltraditionen entlehntes Gleichnis. Am Ende jedoch fehlt diesem Roman eine eigenwillige Bildfantasie.
[Arif Anwar: Kreise ziehen. Roman. Aus dem kanadischen Englisch von Nina Frey. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2019. 329 Seiten, 24 €.]

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