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Saisoneröffnung im Konzerthaus: Appell und Klage

Iván Fischer und das Konzerthausorchester eröffnen mit Tenor Philippe Jaroussky die neue Saison. Vorher allerdings wendet sich der Chefdirigent an das Publikum und begrüßt die Gäste aus Syrien.


Leicht haben sie es sich nicht gemacht mit diesem Konzert zur Saisoneröffnung im Konzerthaus: weder, was das Programm betrifft, noch mit dem Anspruch, dass Musik heute etwas bedeuten kann – und muss. Iván Fischer, dessen Vertrag als Chef des Konzerthausorchesters um drei Jahre verlängert wurde, wendet sich vor dem ersten Ton an sein Publikum: Er begrüßt die Gäste aus Syrien, die zum ersten Mal mit in den Reihen sitzen. Und er fordert mit klaren Worten ein Ende der unmenschlichen Situation für Flüchtlinge in der seiner Heimat Ungarn. Jeder solle frei dort hingehen können, wo er sich registrieren lassen wolle. Das werde funktionieren, weil in Europa genug tolerante Menschen leben, die die Flüchtlinge warmherzig, großzügig, helfend und mit offenen Armen empfangen. „Möge Musik dazu beitragen“, schließt Fischer seinen leidenschaftlichen Appell.

Dirigent Iván Fischer und der Solist Philippe Jaroussky.
Dirigent Iván Fischer und der Solist Philippe Jaroussky bei der Saisoneröffnung des Konzerthauses.

© Oliver Lang

Darauf folgt das 20-minütige Lamento, mit dem Philippe Jaroussky seine Saison als Artist in Residence am Gendarmenmarkt beginnt. Es sind nicht seine barocken Bravourstücke, mit denen sich der wunderbare französische Countertenor hier einführt, sondern Marc-André Dalbavies „Sonnets de Louise Labé“: klangfarbensatte Gegenwartsmusik auf im Jahre 1555 in Verse gefasste Liebespein. Jaroussky führt seine unerreicht leichte Stimme wie ein Instrument unter anderen, das bald in dieser bald in jener Melodie aufgeht ohne je Erlösung zu erfahren. Das ist ungemein kunstvoll und fern von jeder Eitelkeit gesungen. Dalbavies dunkler Klangstrom, der von der Klage zur Litanei und wieder zurück schwappt, aber lastet schwer über dem Saal.

Magie beginnt dort, wo die Materie tanzt

Befreiung wird auch Gustav Mahlers 7. Symphonie nicht bringen, die für Interpreten wie Zuhörer wohl das letzte Rätsel seiner Musik birgt. Während ihre Schwestern fest im Repertoire verankert sind, sogar die gigantische Achte, bleibt die Siebte der Sonderfall. Iván Fischer, der großartige Mahler-Interpret, kann mit seinem Konzerthausorchester diesmal nur die Mannigfaltigkeit des auseinander strebenden Klanguniversums umreißen. Der Kontakt zu den Bindungskräften, die zugleich im Innern wirken, scheint immer wieder unterbrochen. Die wahre musikalische Magie aber beginnt erst dort, wo die Materie tanzt, selbstvergessen, aller Last enthoben. Für eine kurze Frist.
Wieder am 6.9., 11 Uhr

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