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Immer noch gefährdet. Die Rieckhallen am Hamburger Bahnhof.

© IMAGO/Jürgen Ritter / IMAGO/Jürgen Ritter

Appell des Kunstförderers Peter Raue: Rettet die Rieckhallen jetzt!

Erst gerettet und nun doch nicht? Der Kunstort am Hamburger Bahnhof darf nicht für ein Bürogebäude geopfert werden, sagt der Berliner Anwalt und Kulturförderer.

Nirgendwo in der europäischen Museumswelt gibt es etwas Vergleichbares wie die Rieckhallen, errichtet im Verbund mit dem Hamburger Bahnhof im 19. Jahrhundert. Anfang der 90er Jahre wurde der Bahnhof nach einem Entwurf von Josef Kleihues zum Museum der Gegenwart umgebaut und erweitert.

Integrativer Bestandteil waren von Anfang an die Rieckhallen: So wurde ein zentraler Museumsort Berlins für zeitgenössische Kunst geschaffen! Die Rieckhallen sind darüber hinaus – wie Petra Kahlfeldt und Jörn Düwel in einem Gutachten aus dem vergangenen Jahr belegt haben – ein bedeutendes und zu schützendes Denkmal, das mit seinem 250 Meter langem Gebäude ein einzigartiger Ort für zeitgenössische Kunst ist.

Deshalb hat Christian Flick seine Sammlung nach Berlin gegeben. Deshalb hat am Ende der Hallen Bruce Nauman die Arbeit „Room with my Soul…“ installiert. Zudem: murale Arbeiten, die mit dem Bau fest verbunden sind (von Richard Jackson, Sarah Morris, Lawrence Wiener). Sie alle würden mit dem Abriss des Gebäudes ebenso verschwinden wie die Rauminstallation von Richard Artschwanger „no exit“.

Warum soll ein so einzigartiges Gebäude für zeitgenössische Kunst abgerissen werden?

Peter Raue

Warum soll ein so einzigartiges Gebäude, das der zeitgenössischen Kunst wie kein anderes in Berlin Raum bietet, abgerissen werden? Ganz einfach: Weil das Grundstück, auf dem Hamburger Bahnhof und Rieckhallen stehen, an das international tätige, in Österreich beheimatete Immobilienunternehmen „CA Immo“ verkauft wurde.

Bei Verkaufsabschluss waren die Rieckhallen aufgrund des bestehenden Bebauungsplanes noch ausschließlich für kulturelle Ereignisse bestimmt. Im Jahre 2016 hat das Land Berlin – ein unfassbarer Vorgang! – einen Bebauungsplan in Kraft gesetzt, der auf dem Grundstück hochwertige Bürogebäude möglich macht. Erst mit dieser Entscheidung ist der Wert des Grundstücks in Vielfache gestiegen.

Nachdem die Öffentlichkeit die Nachricht von dem von CA Immo geplanten Abriss der Rieckhallen zunächst hingenommen hat wie einen schlechten Wetterbericht, waren sich nach vielen intensiven Gesprächen am Ende alle Verantwortlichen (CA Immo, der damals Regierende Bürgermeister Michael Müller, der Senator für Finanzen Matthias Kollatz und insbesondere der unermüdliche Kämpfer für den Erhalt Klaus Lederer) einig in dem Bemühen, den Abriss zu verhindern.

Mit Leidenschaft. Peter Raue prägt das Berliner Kulturleben seit Jahrzehnten.
Mit Leidenschaft. Peter Raue prägt das Berliner Kulturleben seit Jahrzehnten.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Ein im September 2021 unterzeichnetes „Memorandum of Understanding (MoU)“ hält fest: Die Rieckhallen werden nicht abgerissen, der CA Immo werden stattdessen zwei Grundstücke, die im Eigentum des Landes Berlin stehen, zur Bebauung übertragen. Die in Gegenwart der Presse erfolgte Unterzeichnung des MoU wurde als Sieg gefeiert. Die Presse berichtete: „Die Rieckhallen sind gerettet!“

Ende gut – in Wahrheit gar nichts gut. Denn selbstverständlich muss ein solcher Vertrag von den Gremien des Abgeordnetenhauses genehmigt werden. Obwohl auch die jetzt Regierenden, Franziska Giffey, selbstverständlich Klaus Lederer, aber auch die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt für die Umsetzung des MoU mit allen Kräften eintreten, tönt es aus den Mündern zahlreicher Abgeordneter, das Land Berlin könne dem MoU nicht zustimmen, weil zumindest eines der Tauschgrundstücke für den Bau eines Verwaltungsgebäudes benötigt werde. Diesem Wunsch des Lands nach einem austauschbaren Verwaltungsgebäude sollen ernstlich die historisch und künstlerisch so bedeutsamen Rieckhallen geopfert und damit ein Areal der Begegnung vernichtet werden!

Der Wahnsinn muss mit der Vernunft bekämpft werden.

Peter Raue

Dieser Wahnsinn muss mit der Vernunft bekämpft und beendet werden!

1. Das Land Berlin hat sich im MoU gebunden. Gebot der Verlässlichkeit staatlichen Handelns sollte es sein, dass das Abgeordnetenhaus den im MoU vorgezeichneten Weg mitgeht und nicht etwa diese Entscheidung auf das neue Parlament verschiebt.

2. Wie oft muss man es sagen: Berlin lebt von seinen kulturellen Einrichtungen. Hamburger Bahnhof und Rieckhallen sind der einzige und einzigartige Platz in Berlin, in dem Raum ist für Ausstellungen aktueller Kunst (die Nationalgalerie braucht oft jahrelangen Vorlauf, bis dort eine Ausstellung installiert werden kann, andere Räume für zeitgenössische Kunst gibt es nicht).

Zahllose Künstler und Künstlerinnen aus allen Ländern kommen nach Berlin, weil hier „der Bär der modernen Kunst steppt“. Nun sollen diese Rieckhallen einem austauschbaren Bürogebäude weichen, damit an anderer Stelle Berlins ein Verwaltungsgebäude errichtet werden kann. Den trostlosen Bauten hinter dem Hauptbahnhof soll so ein weiteres Hochhaus hinzugesellt werden unter Vernichtung eines bedeutenden Kulturgutes. Das ist unverantwortlich!

Die Errichtung eines Hochhauses ist auch unter ökologischen Gesichtspunkten unverantwortlich.

Peter Raue

3. Der Abriss der Rieckhallen, die Errichtung eines Hochhauses an seiner Stelle sind sowohl unter ökologischen Gesichtspunkten als auch unter dem Gebot von Nachhaltigkeit nicht zu verantworten.

4. Und schließlich: Mit der Umsetzung des MoU hat Berlin die einzigartige Chance, den vor zehn Jahren begangenen Fehler, das Grundstück in Bauland zu verwandeln, wieder gutzumachen.

CA Immo drängt: Sie will die Tauschgrundstücke bebauen oder die Rieckhallen ganz oder teilweise abreißen. Deshalb darf die Entscheidung über die Umsetzung des MoU nicht auf die Zeit nach den Neuwahlen verschoben werden. Die Zustimmung zu dem MoU muss erfolgen. Jetzt. Ohne Einschränkung.

Daher der Appell an diejenigen, die für die Entwicklung dieser Stadt Verantwortung tragen: Rettet die Rieckhallen jetzt!

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