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Wir Virtuosen: Anne-Sophie Mutter, Rattle & die Philharmoniker

Nachdem Seiji Ozawa aus gesundheitlichen Gründen alle Auftritte mit den Berliner Philharmonikern in dieser Saison abgesagt hatte, erklärte sich Simon Rattle bereit, dessen Januar-Termine zu übernehmen.

Das erlebt man wahrlich selten: Der Chef als Aushilfskraft beim eigenen Orchester. Nachdem Seiji Ozawa aus gesundheitlichen Gründen alle Auftritte mit den Berliner Philharmonikern in dieser Saison abgesagt hatte, erklärte sich Simon Rattle bereit, dessen Januar-Termine zu übernehmen. Und so tritt er nun – nach verkürztem Winterurlaub – an seinem 56. Geburtstag zur Arbeit an. Grund genug für ein Häuflein Verehrerinnen, den geliebten Maestro mit einem Ständchen zu ehren: „Happy Birthday“ schallt es von den Podiumsplätzen, der ausverkaufte Saal fällt dankbar applaudierend ein.

Statt Tschaikowskys vierter Sinfonie, die Ozawa hätte dirigieren wollen, bietet Rattle ein deutsch-französisches Doppel an. Unvergleichlich die atmosphärische Dichte des Philharmoniker-Klangs in Gabriel Faurés „Pelléas et Mélisande“-Suite: Der graue Winterhimmel reißt auf und gibt den Blick frei auf pures Azur. Kein italienisches Strahleblau, eher pastellig, der ideale Hintergrund für symbolistische Tagträume. Wie reizend und raffiniert in „La Fileuse“ die instrumentalen Schichten miteinander verschwimmen, wie unschuldig Rattle die tausendmal gehörte „Sicilienne“ vorführt: C’est sublime!

Anne-Sophie Mutter dagegen, die doch sonst so oft durch übermenschliche Perfektion einschüchtert, geht Dvoráks Violinkonzert ganz handfest an, absolviert mit Entschlossenheit das etüdenhafte Allegro, durchmisst konzentriert die Weiten des langsamen Satzes, tanzt schließlich tschechische Volkstänze, kurz, überwölbt das diskutable Werk mit ihrer auratischen Persönlichkeit.

Zum guten Schluss dann Schumanns zweite Sinfonie, von Simon Rattle mächtig unter Strom gesetzt. Schon im Kopfsatz lässt er es brodeln – und bringt sich damit selber in Zugzwang. Denn im Scherzo will natürlich noch eins draufgesetzt sein: Flink wie in Rimski-Korsakows „Hummelflug“ flitzen die Violinistenfinger beim charakteristischen Hauptthema. Auswärts gestülpter Sehnsuchtsgesang im adagio espressivo, eine Feier philharmonischer Virtuosität das Finale. Großer Jubel.

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