zum Hauptinhalt
Anna Netrebko in der Rolle der Lady Macbeth an der Berliner Staatsoper in Giuseppe Verdis „Macbeth“.

© Bernd Uhlig

Update

Anna Netrebko in Berlin: Proteste vor der Staatsoper, Buh-Rufe und Ovationen im Saal

Die Starsopranistin steht wegen angeblicher Nähe zu Putin in der Kritik. Rund 150 Menschen demonstrieren am Freitagabend vor der Berliner Staatsoper gegen ihren Auftritt in Giuseppe Verdis „Macbeth“.

| Update:

Sie ist die bekannteste Opernsängerin der Welt - und aktuell auch die umstrittenste: die russische Sopranistin Anna Netrebko. Ihren Namen kennen auch Menschen, die mit Musiktheater sonst wenig am Hut haben. Darum war schon im Vorfeld die Aufregung groß, als die Berliner Staatsoper ankündigte, die Primadonna werde ab dem 15. September die Rolle der Lady Macbeth in der Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis Shakespeare-Vertonung singen.

„Macbeth“ wird Unter den Linden in einer 2018 herausgekommenen Produktion des inzwischen verstorbenen Regisseurs Harry Kupfer gezeigt.

Am Freitagabend strömten nicht nur Anna Netrebkos Fans zum Berliner Traditionsopernhaus Unter den Linden, sondern auch ihre Kritikerinnen und Kritiker. Rund 150 Demonstrierende hatten sich auf dem Bebelplatz neben der Oper versammelt, viele waren in ukrainische Fahnen gehüllt.

Es wurden Transparente hochgehalten, auf denen unter anderem zu lesen war „Wer Putin und die Terroristen unterstützt, ist auf Berliner Bühnen nicht willkommen“. Ein anderes Plakat zeigte eine Ballerina in russischen Nationalfarben, die ein Maschinengewehr um den Hals trägt. In englischer Sprache war darunter zu lesen: „Achtung! Russische Kultur sponsert den Krieg“.

Netrebko singt seit 2007 an der Staatsoper

Der Eingangsbereich der Staatsoper war durch die Polizei abgesperrt, sodass alle, die Eintrittskarten für den Abend gekauft hatten, problemlos das Haus betreten konnten. Derweil skandierten die Demonstrierenden nebenan „Schande, Schande“.

Die Berliner Staatsoper und 1971 in Krasnodar geborene Sängerin verbindet eine lange künstlerische Freundschaft. 2007 hatte sie als Titelheldin in Jules Massenets „Manon“ an dem Opernhaus debütiert. Ein großer Triumph war 2013 dann auch Anna Netrebkos Auftritt an der Seite von Placido Domingo in Verdis „Il trovatore“. 

Neben Placido Domingo im „Trovatore“

Dennoch legte die Lindenoper die Zusammenarbeit mit Kriegsbeginn erst einmal auf Eis. „Wir schätzen Anna Netrebko als herausragende Sängerin und es verbindet uns eine langjährige, künstlerische Partnerschaft“, hieß es im März 2022 aus der Intendanz. „Gleichzeitig sehen wir angesichts des brutalen Krieges keine Möglichkeit für eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit.“

Klar ukrainisch positioniert

Gut eineinhalb Jahre später hat sich Intendant Matthias Schulz nach persönlichen Gesprächen mit der Künstlerin nun zu einem erneuten Engagement von Anna Netrebko entschieden. „Es ist wichtig, hier differenziert vorzugehen und zwischen vor und nach dem Kriegsausbruch zu unterscheiden“, heißt es in einem Statement des Hauses.

Anna Netrebko habe seitdem keine Engagements in Russland mehr angenommen und es gebe auch keine Pläne für Auftritte in Russland. „Es ist, denke ich, auch ein sehr wichtiges Zeichen, dass Anna Netrebko auf so einer Bühne, die so klar ukrainisch positioniert ist, singt“, sagte Intendant Matthias Schulz jüngst einem Interview.

Matthias Schulz, Intendant der Staatsoper Unter den Linden

© dpa/Annette Riedl

„Ich verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich und meine Gedanken sind bei den Opfern dieses Krieges und ihren Familien“, hatte Anna Netrebko in einem Statement betont. „Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten.“

Dennoch hatten zahlreiche Organisationen in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, an Kultursenator Joe Chialo sowie an den Staatsopern-Intendanten Matthias Schulz dafür plädiert, Anna Netrebko nicht Unter den Linden auftreten zu lassen. Bei „Change.org“ hatte Ende August der Gastronenterologe Carsten Grötzinger eine Petition mit dem Titel: „Kein Auftritt von Anna Netrebko an der Berliner Staatsoper!” gestartet, die von fast 36.000 Menschen unterzeichnet worden ist.

Kritik von vielen Seiten

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sieht bei Anna Netrebko eine persönliche Mitverantwortung „als Ex-Unterstützerin Putins und Propaganda-Mithelferin bei der Donbas-Besetzung“. Makeiev kritisiert, die Staatsoper würde „culture as usual“ betreiben: „Die Intendanz setzt ein Zeichen der ,Normalität’ und somit ein Zeichen des Wegschauens – als ob die Realität sich nicht verändert hätte. (...) Es tut mir leid, dass die Oper statt unserer Argumente lieber die Sopranstimme von Frau Netrebko hört.“

„Sehr kritisch“ sieht auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner Netrebkos „Macbeth“-Auftritt. Er bedauerte im Vorfeld, „dass eine internationale erfolgreiche Sängerin wie Anna Netrebko sich bis heute nicht klar und unmissverständlich von dem russischen Angriffskrieg und Putin distanziert hat“. Anders als in Russland sei die Freiheit von Kunst und Kultur in Deutschland aber auch ein hohes Gut, sagte Wegner.

Im Opernhaus gab es nach den ersten Arien der Sopranistin ein Kraftmessen zwischen dem Applaus und hartnäckigen Buh-Rufern. Netrebko konterte die Proteste ihrer Kritiker zweimal mit demonstrativ verschränkten Armen und gewinnendem Lächeln am Bühnenrand. Im Lauf des dreistündigen Abends blieb es mehr und mehr beim donnernden Applaus für Netrebko, die anderen Solisten, Chor und Orchester unter dem Dirigenten Bertrand de Billy. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false