zum Hauptinhalt
Alice Munro 2009 in Dublin, Irland.

© AFP

Stockholm: Alice Munro erhält den Literaturnobelpreis

Die kanadische Schriftstellerin Alice Munro hat sich mit ihren Kurzgeschichten einen Namen gemacht. Nun bekommt sie den Literaturnobelpreis.

Der Literaturnobelpreis 2013 geht an die Schriftstellerin Alice Munro aus Kanada. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Damit geht der Preis zum ersten Mal nach Kanada und zum 13. Mal an eine Frau. Die wichtigste Literaturauszeichnung der Welt ist mit umgerechnet rund 910 000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.

Die 82-jährige Munro ist vor allem bekannt für kurze Prosa. „Sie ist die Meisterin der zeitgenössischen Kurzgeschichte“, sagte Peter Englund als Sprecher der Jury. „Sie hat diese spezielle Form zur Perfektion gebracht.“ Das Oeuvre der 1931 in Ontario geborenen Schriftstellerin umfasst dreizehn Erzählungsbände und einen Kurzroman, ihre Werke erscheinen auf Deutsch im Fischer-Verlag. Munro wird gern der "Tschechow Kanadas" genannt, nicht zuletzt wegen der Melancholie, die ihre Sprache färbt - und wird deshalb seit Jahren als aussichtsreiche Kandidatin für den weltweit wichtigsten Literaturpreis gehandelt - den Tschechow nie bekam.

Munros scharfer Blick fürs Detail

Wie Tschechow hat Munro einen scharfen Blick fürs Detail und die gleiche Empathie für Menschen jeglicher Ausprägung. Auch der beschränkte Erzählradius sei ähnlich, schrieb Andreas Schäfer 2011 in einer Tagesspiegel-Rezension von "Zu viel Glück", ihrer jüngsten Veröffentlichung auf Deutsch. "So wie Tschechow hauptsächlich über melancholische Menschen aus der russischen Provinz geschrieben hat, so spielen auch die meisten Erzählungen Munros in der immer gleichen kanadischen Landschaft rund um den Lake Huron, also ungefähr in der Gegend, in der die Tochter eines Fuchszüchters und einer theatralischen Mutter 1931 als Alice Laidlaw geboren wurde und in der sie seit Jahrzehnten wieder lebt" Das Besondere, immer wieder in den Bann ziehende an Munros Erzählungen seien jedoch "deren unvergleichliche Konstruktion, ihr verschlungener Bau, die schnellen Wendungen, Rückblenden und tänzelnden Perspektivwechsel, die dem Leser immer wieder eine verblüffende Figurenfacette offenbaren", so Schäfer weiter.

Im vergangenen Jahr hatte der Chinese Mo Yan („Das rote Kornfeld“) den Preis erhalten. Letzte deutschsprachige Gewinner waren Herta Müller (2009), Elfriede Jelinek (2004) und Günter Grass (1999). Die Auszeichnung wird seit 1901 vergeben.

Große Freude bei Munros deutschem Verlag S. Fischer

Literaturkritiker Denis Scheck nennt den Literaturnobelpreis für Munro eine „sensationelle Wahl“. „Das ist nicht nur eine Entscheidung für die neben Margaret Atwood tollste kanadische Autorin, sondern auch eine Entscheidung für die Form der Erzählung“, sagte Scheck („Druckfrisch“) der Nachrichtenagentur dpa auf der Frankfurter Buchmesse. Munro habe diese Erzählform ins 21. Jahrhundert hinübergerettet.

Auch Hanser-Verleger Michael Krüger hat Alice Munro als „verdiente“ Literaturnobelpreisträgerin gewürdigt. „Alice Munro ist eine wunderbare Schriftstellerin“, sagte Krüger. Beim Hanser Verlag hatte man auf den Preis für die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch gehofft, die kurz vor der Bekanntgabe als Favoritin gegolten hatte und deren Bücher auf Deutsch bei Hanser erscheinen. Er sei aber nicht enttäuscht, sagte Krüger. „Das kann keiner voraussagen.“

Große Freude und Überraschung hat die Auszeichnung bei Munros deutschem Verlag S. Fischer ausgelöst. „Man bereitet sich immer wieder ein bisschen darauf vor und denkt, dieses Jahr wird es klappen. Dann hört man irgendwann auf zu hoffen, und dann klappt's“, sagte der Programmchef für Internationale Literatur, Hans-Jürgen Balmes. Als „Kammerspiele des Gefühls“ bezeichnete er ihre Erzählungen. „Geschichten, die immer in kleinen Räumen spielen, bekommen eine unheimliche Dimension.“ Damit habe die zurückgezogen in ihrem kleinen Haus lebende Kanadierin Millionen Menschen in der Welt beglückt. Die 82-Jährige wolle keine Bücher mehr schreiben. „Mit so einem Geschenk abzutreten, ist wirklich das Allergrößte“, sagte Balmes. Munro habe aber schon dreimal gesagt, das sei ihr letztes Buch gewesen. „Jetzt hoffen natürlich alle, dass es auch dieses Mal nicht das letzte Buch war.“

Das Netz war schneller als der Jurychef

Die Trägerin des Literaturnobelpreises war im Internet früher bekannt als vor Ort in Stockholm. Als der Jurychef die Entscheidung für Schriftstellerin Alice Munro gerade noch einleitete, hatte der offizielle Twitter-Account der Akademie sie schon zur Preisträgerin gekürt: „Die Kanadierin Alice Munro, 82 Jahre alt, bekommt den #NobelPrize 2013 für #Literature“, hies es dort.

Munro hat scheinbar von ihrer Tochter erfahren, dass sie den Nobelpreis für Literatur erhält. Das meldete der kanadische Sender CBC. „Mama, du hast gewonnen“, habe die Tochter am Telefon gesagt, schrieb der Sender am Donnerstag bei Twitter nach einem Telefonat mit der kanadischen Schriftstellerin.

Der Literaturnobelpreis wird traditionell am 10. Dezember in Stockholm überreicht. An diesem Tag werden auch die wissenschaftlichen Auszeichnungen verliehen. Das Datum der Preisübergabe ist der Todestag des schwedischen Preisstifters und Industriellen Alfred Nobel (1833-1896). An diesem Freitag soll der Name des Friedensnobelpreisträgers verkündet werden. Diese Auszeichnung wird traditionsgemäß in Oslo überreicht. (Tsp mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false