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Zweimal beim Musikfest Berlin. Pianist Alexander Melnikov.

© Julien Mignot

Alexander Melnikov beim Musikfest Berlin: Den Flügel verdreschen

Beim Musikfest Berlin ist der Pianist Alexander Melnikow gleich mehrfach eingeladen. Am Dienstagabend huldigt er im Kammermusiksaal dem Komponisten Sergej Rachmaninow mit einem Klavierabend.

Von Keno-David Schüler

Gleich zweimal ist Pianist Alexander Melnikov beim diesjährigen Musikfest im Kammermusiksaal mit Musik von Sergej Rachmaninow zu hören. Nach einem Kammermusikabend, spielt er am Dienstag ein opulentes Soloprogramm.

Anlässlich des 150. Geburtstag des Komponisten sind zunächst das erste und letzte große zyklische Klavierwerk zu erleben: Die Variationen auf ein Thema von Chopin op. 22 (1902) und die sogenannten Corelli-Variationen op. 42 von 1931. Auf der sich anschließenden Promotiontour hatte Rachmaninow letztere selbst wohl nie in Gänze gespielt, glaubt man seinem Brief an Musikerkollege Nikolai Medtner. Grund sei das Husten im Publikum gewesen, dass er als Indikator zum „Überspringen“ genommen habe.

Die unterhaltsame Anekdote darf allerdings nicht den Blick auf eine überaus ernsthafte wie vielschichtige Künstlerpersönlichkeit verstellen. Tatsächlich hat der Russe einen neuen Interpretentyp geprägt, der mit großem Ton und großem Flügel große Hallen füllt.

Wie anhaltend sein Einfluss bleibt, zeigt die Umfrage des BBC Music Magazins von 2022, in der Rachmaninow von führenden Musikern zum größten Pianisten aller Zeiten gekürt wurde. So eindrucksvoll seine Klavierkunst in den reichlich erhaltenen Aufnahmen auch heute noch nachgehört werden kann, so ist das doch erst die halbe Wahrheit.

Rachmaninow setzt Maßstäbe

Rachmaninow hat mindestens doppelt Maßstäbe gesetzt: als Pianist ja, aber auch als Komponist. Nur angemessen ist da heute die Stille im Saal, wenn Melnikov alle (!) Variationen spielt. Und das ist alles andere als leicht.

Glaubt man Melnikov – wie er vorab im Interview versicherte – könne eigentlich niemand diese hochkomplexe Musik gut spielen. Er auch nicht. Das ist für jemanden von seinem Kaliber freilich tief gestapelt, kommt aber nicht von ungefähr. Schon Rachmaninow hatte sich beklagt: „Ich kann meine eigenen Kompositionen nicht spielen!“

Ohne Frage: Melnikov kann. Wer aber den feinsinnigen Kammermusiker, dessen referenzfähige Beethoven-Sonaten gemeinsam mit Isabelle Faust in aller Ohren sind, erwartet hat; oder die virtuos-zupackende, elektrisierende Étude tableaux und Corelli-Aufnahme von 2017 kennt, wird leider enttäuscht.

Die Frage müsste wohl lauten: Was will Melnikov? Der umtriebige Musiker wirkt heute wie auf der Durchreise. Da sind durchaus Momente, die aufhorchen lassen, gerade in den Études der zweiten Konzerthälfte, wenn die Lust zu Größe, der Mut zur Aussage noch am häufigsten aufblitzt.

Insgesamt überwiegen aber die Launen eines souveränen Musikers, der mit grobem Pinsel eine zumeist monochrome Geräuschkulisse malt. Unklar bleibt, was sich da alles im Pedalnebel versteckt. Vielleicht ist es nicht zuletzt ein übersättigtes Konzertwesen, das nur noch Superlativen akzeptieren will. Aber warum sollte ein Flügel so verdroschen werden? Wenn Melnikov zurecht konstatiert, dass Rachmaninows Oeuvre in Europa größtenteils unterrezipiert ist, gelingt es ihm heute kaum, die Neugier auf mehr davon zu wecken.

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