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Spieler und Denker. Alexander Lang 2004 am Gorki Theater.

© imago/DRAMA-Berlin

Alexander Lang zum 80.: Er zeigte einer ganzen Generation, was Theater sein kann

Als Schauspieler warf er die Kritiker um. Als Regisseur ließ er Geschichtsbilder einstürzen. Heute wird Alexander Lang 80 Jahre alt. Eine Gratulation.

Alexander Lang wird an diesem Freitag 80? Manche Menschen – er zählt dazu – sind gewissermaßen von Natur aus jung. Die Jugend gehört zu ihrer geistigen, physischen, emotionalen Gestalt, sie ist ein Merkmal ihrer Identität. Langs Ferdinand in „Kabale und Liebe“ warf die Kritiker 1972 reihenweise um. Manche vor Befremden, andere vor Begeisterung. Diese Leidenschaft, diese Unbedingtheit! Nach Brecht hat die pure Emotion auf der Bühne nichts zu suchen, da sie doch mehr peinlich privater Natur ist. Aber war dieser Furor privat? Eher nicht. Aber was war er dann?

Wenn dem jungen DDR-Schauspieler damals einer gesagt hätte, dass er als einziger deutscher Regisseur drei Mal an die Comédie-Francaise eingeladen werden würde, er hätte es wohl kaum geglaubt: 1994 inszenierte er in Paris Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“, danach Lessings „Nathan“ und 1999 schließlich Goethes „Faust“. Doch es gab schon früh Hinweise auf den Regisseur Lang. Dieser Schauspieler zog die anderen Spieler mit und gewöhnlich auch den Regisseur. Klug war es, ihm zu folgen.

Aber nicht alle waren klug. 1977 kam es am Deutschen Theater zum Beinahe-Eklat, als die Regisseure von Heiner Müllers „Philoktet“ ihrem Hauptdarsteller Widerstand entgegensetzten. Die Schauspieler – Lang, Christian Grashof und Roman Kaminski – brachten das Stück schließlich in Eigenregie auf die Bühne. Der Regisseur Alexander Lang war geboren mitsamt der Lang-Bande am Deutschen Theater.

Das Bühnen-Wunder Lang am Deutschen Theater in seinem vielleicht spektakulärsten Jahrzehnt nahm seinen Lauf. „Miss Sara Sampson“ 1978, „Ein Sommernachtstraum“ 1980, „Dantons Tod“ 1981, „Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen“ 1982 und „Herzog Theodor von Gothland“ 1984 heißen die ersten Stationen. Die Anti-Lang-Fraktion am DT sprach von „Turntheater“ und spielte nur unter Protest mit. Darum verließ er das Haus auch Mitte der Achtziger gen Westen. Aber „Turntheater“ traf es nie.

Lang-Theater ist, wenn sich der Geist plötzlich in der minimalen Bewegung einer Fingerspitze konzentriert, jede Silbe eines Wortes zur Aussage werden kann (gern einander widersprechend) und wahlweise federleicht nach oben steigt oder wie ein Stein zu Boden fällt. Langsches Hochpräzisions-Theater ist, wenn Physis und Intellekt miteinander verschmelzen, wenn Körper zu denken beginnen und der Geist zum leibhaften Phänomen wird.

Er spielte Robespierre und Danton zugleich

Bis zuletzt nach 2000 am Berliner Maxim Gorki Theater unter Volker Hesse blieb es Theater in seiner beglückensten Form: hochartifiziell, ohne künstlich zu sein, lustvoll formal zugespitzt, ohne je formal zu werden. Und dabei keinen Jahrmarktszauber, keine Buntheit, keine Derbheit verschmähend. Doch das Berliner Schiller-Theater konnte auch Alexander Lang als Mitglied einer kollektiven Leitung nicht retten.

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Wie nebenbei brachte Lang Geschichtsbilder zum Einsturz. In „Dantons Tod“ spielte der furiose Christian Grashof Danton und Robespierre zugleich: Erstmals fraß auf einer DDR-Bühne die Revolution ihre Kinder. Leider ist „Dantons Tod“ nur in einer völlig verschwommenen Aufnahme aus fernster Video-Zentralperspektive erhalten, aber die unvergesslich grotesk-komische „Traurige Geschichte von Friedrich dem Großen“ ist als DVD erschienen, und gerade eben Brechts „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“.

Dass Alexander Langs Französisch wohl in die Kategorie „beklagenswert“ gehört, störte niemanden an der Comédie-Francaise in Paris: Der Schauspieler Alexander Lang spielte seinem Ensemble einfach vor, was der Regisseur Lang meinte. Er hat einer ganzen Generation gezeigt, was Theater sein kann.

Im letzten Jahr bekam er den Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste für eine seiner wenigen Kino-Rollen: als DDR-Endzeit-Philosoph in Wolfs "Solo Sunny".

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