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Robert Habeck (Die Grünen),  Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollen beim „AI Act“ nur eine Selbstverpflichtung der Unternehmen.

© dpa/Martin Schutt

„AI Act“ zur Künstlichen Intelligenz : Urheber nutzen oder ausnutzen?

Der von Europäischen Parlament, Rat und Kommission diskutierte „AI Act“ soll am Mittwoch beschlossen werden. Er setzt auf Selbstregulierung statt auf Transparenz. Was zu kurz greift.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Eine für bestimmte Aufgaben trainierte Basis-KI kann eingesetzt werden, um als Chatbot den Kundendienst seines Unternehmens abzuwickeln oder als digitaler Assistent Ärzte bei Diagnosen und Behandlungen zu unterstützen. Jede Art von Schrifttum wird sie leisten können, wenn sie entsprechend gefüttert und geschult worden ist.

Reproduktion ist noch keine Inspiration

Diese Produktion beruht auf Reproduktion, vorhandene Inhalte werden neu genutzt. KI kreiert, vom Anwender mehr oder weniger originell inspiriert, aus verfügbaren Inhalte neue. Nichts dagegen. Die entscheidende Frage aber ist: Wer profitiert von der Inspiration dank Reproduktion?

Jeder Text hat einen Urheber. Wenn KI diesen Text benutzt, werden Urheberrechte berührt. Es handelt sich um einen erlaubnis- und vergütungspflichtigen Vorgang. Kommt die Frage auf, ob KI ihre Quellen preisgibt, sprich transparent die benutzten Daten und Inhalte darstellt, damit die Urheberinnen und Urheber ihre Rechte geltend machen können.

Die Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft fordert deshalb, dass in dem von Europäischen Parlament, Rat und Kommission diskutierten „AI Act“, der möglicherweise am Mittwoch beschlossen wird, verpflichtende Transparenzregeln eingezogen werden.

Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Auf Druck der Bundesregierung, von Frankreich und Deutschland soll es lediglich eine verbindliche Selbstverpflichtung geben, bei der die Anbieter von Foundation Models Transparenz und Sicherheitschecks gewährleisten. Verstöße sollten allerdings vorerst nicht geahndet werden.

Das Gesetz sei das derzeit wichtigste Projekt der europäischen Politik, sagte Ralf Wintergerst, Präsident des deutschen Digitalverbands Bitkom. Die Chancen, die diese neue Technologie biete, dürften nicht verspielt werden. Zuvor hatte auch der europäische Branchenverband DigitalEurope vor einer Überregulierung gewarnt.

Europa läuft Gefahr, sich bei einer der spannendsten KI-Entwicklungen aufs Abstellgleis zu manövrieren“

Ralf Wintergerst, Bitkom-Präsident

„Europa läuft Gefahr, sich bei einer der spannendsten KI-Entwicklungen aufs Abstellgleis zu manövrieren“, betonte der Bitkom-Präsident. Sein Verband unterstütze daher die Initiative Deutschlands, Frankreichs und Italiens. In der Bundesregierung, vor allem im Bundeswirtschaftsministerium geht die Angst um, dass überbordende Transparenzpflichten zu einer zu großen Regulierung führen, die den Unternehmen jede Luft zum Atmen, sprich zur Entwicklung und Nutzung von KI nehmen würde. Wie schon bei der Digitalisierung würden insbesondere amerikanischen Unternehmen deutliche Wettbewerbsvorteile eingeräumt.

Digitalminister Volker Wissing sieht in einer zurückhaltenderen Regulierung keine Gefahr. „Es dient unserer Sicherheit und unserer Souveränität, dass wir diese Technologie in Europa weiterentwickeln und sie auch selbst in der Hand behalten“, sagte der Politiker.

Einerseits. Andererseits warnen Experten für Künstliche Intelligenz die Bundesregierung in einem offenen Brief davor, auf eine gesetzliche Regulierung der KI-Branche zu verzichten. „Viele der weltweit angesehensten KI-Fachleute haben zuletzt vor den vielfältigen Risiken fortgeschrittener KI gewarnt“, sagten die Unterzeichner.

Dazu gehörten von KI generierte Falschinformationen, Cyberangriffe oder gesundheitsschädliche Keime. Eine Selbstregulierung in diesem Bereich gefährde die Sicherheit sämtlicher EU-Bürger. Stattdessen solle die Politik am Ansatz des europäischen „AI Act“ festhalten, der KI-Anbietern auf Grundlage einer Risiko-Einstufung verschiedene Auflagen macht.

Der Umgang mit KI, die Abschätzung der Risiken und Gefahren, die Verteilung des Profits in dieser Wachstumsbranche werden durch welchen „AI Act“ nicht abschließend eingehegt. KI lernt und mit KI wird gelernt, der Prozess hat erst begonnen. Und weil er erst begonnen hat, müssen seine Bedingungen noch ausformuliert werden. Transparenz sollte conditio sine qua non sein.

Der Deutsche Journalisten-Verband findet deutliche Worte im Vorfeld der entscheidenden Sitzung im Rahmen der Trilog-Verhandlungen zur KI-Verordnung auf europäischer Ebene. Er warnt davor, auf die notwendige Transparenzpflicht zu verzichten.

Die vom deutschen Bundeskanzler sowie den Regierungen von Frankreich und Italien favorisierte freiwillige Selbstverpflichtung der KI-Entwickler führt aus Sicht zahlreicher Medienorganisationen, darunter der DJV, dazu, dass die geistigen Werke von Urheberinnen und Urhebern weiterhin ohne jede Vergütung in die Künstliche Intelligenz einfließen.

DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster hält das Vorgehen der Bundesregierung für „unverantwortlich gegenüber der gesamten Kunst- und Kreativbranche“ in Deutschland: „Das begünstigt die Big-Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley und ein kleines Unternehmen aus Deutschland zulasten von Hunderttausenden Arbeitsplätzen in Journalismus und Kreativwirtschaft.“ Es sei ihm schleierhaft, wie die Bundesregierung so blauäugig an dieses wichtige Zukunftsthema herangehen könne. „Wir verscherbeln unser geistiges Eigentum, um es dann von Microsoft oder Meta zurückzukaufen.“

Die Bundesregierung müsse sich darüber im Klaren sein, dass der Fortbestand des kritischen und menschengemachten Journalismus auf dem Spiel stehe. Transparenzpflichten seien unverzichtbar für aufgeklärte Mediennutzer, erklärte Beuster.

Katharina Uppenbrink von der „Initiative Urheberrecht“, hat zusammen mit Birgit Reuß vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels an Olaf Scholz geschrieben: „Herr Bundeskanzler, gewähren Sie uns Transparenz. Sie sichern damit den Standort und das Innovationsklima. Letzteres entstammt menschlichen Köpfen und nicht Maschinen.“

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