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Performance "Sink or Swim" in den Sophiensälen: Abgesoffen

Die neue Kunst will sehr viel auf einmal, nur nicht erzählen. So taucht die Gruppe XLR-Female in "Sink or Swim" in DDR-Fotografie der 1960er Jahre ein - und säuft ab.

Als Frau sitzt man (also frau) in dieser Sophiensäle-Aufführung von fünf Composer-Performerinnen und fragt sich, ob es eigentlich in Ordnung wäre, die Aufführung nicht zu mögen. Würde das nicht sehr unsolidarisch sein? Darf man zum Beispiel die Beobachtung mitteilen, dass Bühnenpremieren selten so sachlich enden wie diese mit ihren immerhin fünf Teilen und aufwendiger Bühnentechnik, mit sorgfältig einstudierter Performance, kompliziert montierten Bildern und Geräuschen? Am Ende treffen nämlich die Protagonistinnen mit ihrem Publikum in der Bar vor dem Hochzeitssaal zusammen und sind bemerkenswert unekstatisch.

Vielleicht ist das aber auch nur ein Ergebnis der Nähe dieses Abends zur Ganz Neuen Kunst, die manchmal sehr viel auf einmal will, nur nicht das eine, nämlich Erzählung zu sein oder Bilderbogen oder tumbe Lust an Sinnlichkeit. Denn zu den 1960 in der DDR publizierten Fotografien von Rettungsschwimmern fast nur in Badehose und Trockenübung, die Steffi Weismann an die Wand wirft, bis ins Gekörnte vergrößert, angemalt oder auf den Kopf gestellt, gibt es unter dem Titel „Sink or Swim. Fünf musikalische Rettungsmaßnahmen“ zwar Bewegungsexperimente und bildlich-klanglichen Hightech vom Allerfeinsten. Das Rätsel aber, woher diese Schwimmer-Fotos kommen und was sie bedeuten, warum die Männer sich in Posen ineinander verschränken, die nach einer Mischung aus Alexandertechnik und Demütigungsübung aussehen, dieses Rätsel wird nicht gelöst, sondern: sorgfältig begleitet. Mit Hang zum Dada. In Abstraktion. Und mit Geräuschen aus allen Richtungen, von ‚leeren’ Blasinstrumenten bis zu brutzelndem Fett, von Undefinierbarem bis zu Fingern, die sich von einem Klebeband lösen.

Antje Vowinckel, Steffi Weismann, Anouschka Trocker, Margarete Huber und Liz Allbee, alle ganz in Schwarz, setzen sich dabei eins mit ihrer Szene. Sie arbeiten mit ihrem Atem, sie schieben sich auf dem Rücken über den Boden, sonderbaren Insekten gleich. Plastikbecher werden angesaugt, Papierfahnen geschwungen, die Bewegungen der Rettungsschwimmer auf der Leinwand imitiert. Einmal gibt es, das sieht sehr poetisch aus, eine Verschränkung, die auf das Bild der verschränkten Schwimmer projiziert wird. Ein Publikum hat viele Möglichkeiten zu reagieren, und sicher wünscht sich niemand einen so mitleidlosen Stein wie die Rezensentin. Aber der Abend hat leider nur sporadisch zu ihr gesprochen, eigentlich nur in der Passage „Scream“, die Margarete Huber gestaltet hat: Stroboskoplicht, Lärm, Punkfarben, Menschengesang, ein ganz leichter, kunstvoller, faszinierender Hang zum Schundhaften und Expansiven.

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