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Elastische Form. Moses nach Michelangelo Buonarotti (Grabmal für Papst Julius II.), Gelatineform, 1914.

© SMB / Philip Radowitz

200 Jahre Gipsformerei: Mexiko bestellt sich den Kurfürsten

"Nah am Leben": Der Schatz aus Formen und Modellen wird vom 30. August an in der James-Simon-Galerie ausgestellt.

Auf ihrem Gebiet ist sie unschlagbar. Seit 200 Jahren fertigt die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin als weltweit größte heute noch aktive Kunstmanufaktur Reproduktionen auf wissenschaftlicher Basis. Dabei greifen die Fachleute auf einen Bestand von über 7000 Abformungen aus allen Epochen zurück. „Gerade haben wir das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten für das Museo International del Barroco (MIB) in Puebla, Mexiko, gegossen“, erzählt Miguel Helfrich, Direktor der Gipsformerei. Seit hundert Jahren habe es keine Bestellung mehr für das Reiterdenkmal gegeben. Also mussten erst die Formen aus Gips und Schellack zusammengesucht werden. 10 000 Einzelstücke waren erforderlich. Doch es fehlte nichts, vermerkt Helfrich nicht ohne Stolz.

Die Formen selbst sind schon Museumsstücke, sie sind der Abdruck eines Kunstwerkes, das unter Umständen schon verloren ist. Das Museum in Puebla besitzt so gut wie keine eigene Sammlung. Also bestellt man sich ein Meisterwerk in der Gipsformerei. Zweiter prominenter Auftrag war die Abformung des Pergamonfrieses für die Kunstakademie im chinesischen Hangzhou.

Der Staat witterte ein gutes Geschäft

Schon bei der Gründung der Gipsformerei 1819 spielten ökonomische Gründe eine Rolle. Warum immer für viel Geld Modelle in Italien einkaufen und mühsam nach Berlin schaffen, wenn man sie selber herstellen kann? So wurde 1819 von König Friedrich Wilhelm III. die „Königlich Preussische Gipsgussanstalt“ gegründet. Die Nachfrage zunächst nach antiken Werken war groß, und so witterte der Staat ein gutes Geschäft. Außerdem wollte man es Paris und London gleichtun. Inzwischen ist die Berliner Werkstatt, die 1891 in einen Neubau in der Sophie-Charlotte-Straße gezogen ist, die größte Manufaktur, die auf diese Art arbeitet. Paris hat sich mehr auf das Geschäft für die Museumsshops verlegt.

Älteste Institution der Staatlichen Museen zu Berlin

Der Schatz der Gipsformerei besteht aus Formen und Modellen, die als Vorbild für die Bemalung dienen. Heute würde man sie als Back-up bezeichnen. 1830 wurde die Gipsformerei Teil der Königlichen Museen und ist damit die älteste Institution der Staatlichen Museen zu Berlin. Hoch spezialisierte Handwerker arbeiten hier. Sie beherrschen sogar noch die alte Technik der Leimform. Dieser Leim wird aus Knochen und Haut gekocht, die Form ist elastisch und kann recycelt werden.

Der Bestand an historischen Abformungen vom Vorderen Orient über Ägypten und Asien bis ins europäische 19. Jahrhundert macht die Gipsformerei zu einem kleinen Universalmuseum. Erstmals wird vom 30. August an in der James-Simon-Galerie eine Auswahl der Bestände aus 200 Jahren in der Ausstellung „Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei“ gezeigt.

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