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Prabowo Subianto möchte Indonesiens neuer Präsident werden.

© AFP/JUNI KRISWANTO

„Wir brauchen Europa nicht“: Die größte Wahl in Indonesiens Geschichte wird zur Herausforderung für die EU

Mit Indonesien wählt die drittgrößte Demokratie eine neue Regierung und einen Präsidenten. Die Politik von Amtsinhaber Widodo wird wohl fortgeführt. Doch sonst ist so gut wie alles offen.

Ein Gastbeitrag von Denis Suarsana

Indonesien steht vor der größten Wahl seiner Geschichte. Mehr als 204 Millionen Menschen sind aufgefordert, nicht nur einen neuen Präsidenten und das nationale Parlament zu bestimmen, sondern auch sämtliche Gouverneure und Regionalparlamente, Landräte und Bürgermeister des Landes.

Der Fokus liegt dabei auf der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in der drittgrößten Demokratie der Welt am 14. Februar. Schließlich kommt dem Amt im politischen System Indonesiens eine herausragende Rolle ein. Joko Widodo, genannt Jokowi, darf nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten.

Aufgrund von Zustimmungswerten von mehr als 70 Prozent spielt er im Wahlkampf allerdings weiterhin eine herausragende Rolle. Die Frage, welchen der drei Kandidaten Jokowi unterstützt, kann wahlentscheidend sein.

Die Kandidaten

Die beiden aus demselben Regierungslager stammenden Kandidaten, Verteidigungsminister Prabowo Subianto und Ganjar Pranowo, Gouverneur der Provinz Zentral Java, versuchen mit dem Versprechen zu punkten, die erfolgreiche, auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ausgerichtete Politik des Präsidenten fortzuführen.

Präsidentschaftskandidat Ganjar Pranowo auf einer Wahlkampfveranstaltung. Er gehört zum selben Parteilager wie Favorit Prabowo Subianto.
Präsidentschaftskandidat Ganjar Pranowo auf einer Wahlkampfveranstaltung. Er gehört zum selben Parteilager wie Favorit Prabowo Subianto.

© AFP/ADITYA AJI

Selbst Anies Baswedan, Ex-Gouverneur von Jakarta, ehemaliger Bildungsminister und der einzige Oppositionskandidat im Rennen um das Präsidentenamt, verspricht zwar eine Rekalibrierung der Politik, hält sich aber mit offener Kritik am Amtsinhaber zurück.

Der einzige Präsidentschaftskandidat der Opposition: Anies Baswedan, Ex-Gouverneur von Jakarta.
Der einzige Präsidentschaftskandidat der Opposition: Anies Baswedan, Ex-Gouverneur von Jakarta.

© AFP/YASUYOSHI CHIBA

Wer auch immer die Wahlen gewinnt, ein echter Politikwechsel ist also nicht zu erwarten. Verteidigungsminister Prabowo führt in den Umfragen derzeit deutlich vor seinen beiden Mitbewerbern.

Spätestens seit Prabowo Jokowis Sohn Gibran Rakabuming als mögliche Vizepräsidenten nominiert hat, gilt er als Favorit des Staatschefs und hat enorm an Zustimmung gewonnen.

Kandidat Prabowo Subianto (l.) will den Sohn des amitierenden Präsidenten, Gibran Rakabuming, zu seinem Vize machen, sollte er die Wahl gewinnen.
Kandidat Prabowo Subianto (l.) will den Sohn des amitierenden Präsidenten, Gibran Rakabuming, zu seinem Vize machen, sollte er die Wahl gewinnen.

© AFP/SEVIANTO PAKIDING

Wahlkampf auf TikTok

Derzeit lautet die zentrale Frage, ob Prabowo sogar im ersten Wahlgang gewinnen und so eine Stichwahl am 26. Juni vermeiden könnte. Der 72-jährige Ex-General nimmt inzwischen sogar die jüngere Generation für sich ein – die Plattform TikTok macht’s möglich.

72
Jahre alt ist Favorit Prabowo Subianto.

Geschaffen wurde eine Zeichentrick-Version mit Rehaugen des früher als Hardliner gefürchteten Kandidaten. In sozialen Medien formt Prabowos Avatar mit seinen Fingern ein Herz oder streichelt seine geliebte Katze Bobby. Unterstützer können sich in Videos hineinkopieren und beispielsweise mit ihrem Idol durch den Dschungel wandern, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Als knuffige Comicfigur wird der Wahlfavorit Prabowo in den Sozialen Netzwerken von seinem Kampagnenteam vermarktet, im echten Leben sieht man die Züge des Ex-Generals.
Als knuffige Comicfigur wird der Wahlfavorit Prabowo in den Sozialen Netzwerken von seinem Kampagnenteam vermarktet, im echten Leben sieht man die Züge des Ex-Generals.

© AFP/SONNY TUMBELAKA

Auf der Kurzvideo-Plattform TikTok wurden dem Bericht zufolge Clips mit dem Hashtag #Prabowo bereits mehr als 19 Milliarden Mal geklickt. „Ich werde für ihn stimmen, weil er ‘gemoy’ ist“, kündigt die Erstwählerin Putri an. Auf Indonesisch bedeutet das umgangssprachlich „süß und knuddelig“.

Fans von Verteidigungsminister Prabowo Subianto bei einer Wahlkampfveranstaltung.
Fans von Verteidigungsminister Prabowo Subianto bei einer Wahlkampfveranstaltung.

© AFP/JUNI KRISWANTO

Außenpolitische Strategie: Bloß neutral bleiben

Auch außenpolitisch stehen die Zeichen in Indonesien auf Kontinuität. Indonesien strotzt angesichts seiner wirtschaftlichen Entwicklung, seiner erfolgreichen G20-Präsidentschaft 2022 und seiner Führungsrolle innerhalb der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean vor Selbstbewusstsein.

Dank seiner traditionell neutralen außenpolitischen Position und einer aktiven Wirtschaftsdiplomatie wird das Land immer mehr zum gefragten ökonomischen Partner weltweit.

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China, die USA, aber auch zahlreiche asiatische Staaten wie Singapur, Japan, Südkorea oder Australien stärken derzeit ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu dem Land. Mit Blick auf die Rivalität zwischen China und den USA setzt Indonesien auf eine Diversifizierung seiner weltweiten Handelspartner.

Das Image der EU ist beschädigt

Für die EU kann Indonesien mit Blick auf eine Diversifizierung der Standorte und wirtschaftlichen Kooperationspartner eine wichtige Rolle spielen. Hier ist das Potenzial noch nicht ausgeschöpft: Zwar ist Indonesien die mit Abstand größte Volkswirtschaft Südostasiens, doch lediglich der fünftgrößte Handelspartner der EU innerhalb der Asean-Staaten.

Ein Grund dafür ist, dass Brüssels Image in den vergangenen Jahren deutlich Schaden genommen hat: Die EU-Klage vor der Welthandelsorganisation gegen das indonesische Nickelexportverbot sowie die europäischen Einschränkungen der Einfuhr von Palmöl werden als Angriff auf die indonesischen Interessen bewertet.

Kritik an allen drei Präsidentschaftskandidaten: Menschenrechtsgruppen und Studenten sehen die Demokratie Indonesiens in Gefahr.
Kritik an allen drei Präsidentschaftskandidaten: Menschenrechtsgruppen und Studenten sehen die Demokratie Indonesiens in Gefahr.

© AFP/YASUYOSHI CHIBA

Auch mit Blick auf die sich schon seit Jahren hinziehenden Verhandlungen zu einem Handelsabkommen wachsen in Indonesien die Ungeduld mit der EU und das Unverständnis über manche europäischen Forderungen.

Der führende Präsidentschaftskandidat Prabowo hat in einer viel beachteten außenpolitischen Grundsatzrede denn auch betont: „Wir brauchen Europa nicht.“ Damit nimmt er eine sich verstärkende politische Stimmung auf, die die europäische Politik des erhobenen Zeigefingers gegenüber Indonesiens zunehmend als Zumutung betrachtet.

Ein selbstbewusster Partner

Indonesien erwartet von der EU eine Politik auf Augenhöhe und dass Brüssel die indonesischen Interessen ernst nimmt. Zu hoffen, dass das Land am Ende schlicht den Vorstellungen der Europäischen Union etwa in der Handels- oder Klimapolitik folgt, wäre naiv. Stattdessen muss die Zusammenarbeit mit Indonesien endlich als wichtiges Instrument der Geopolitik verstehen.

Ein schneller und erfolgreicher Abschluss der Handelsverhandlungen würde nicht nur die Rolle Europas in der Region deutlich stärken, sondern wäre ein wichtiger Schritt im Rahmen der europäischen Strategie eines De-Risiking von China.

Nach der Wahl könnten ein neuer Präsident und eine neue Regierung eine gute Gelegenheit für einen „Reset“ in den europäisch-indonesischen Beziehungen sein. Hier gilt: weniger Zeigefinger und mehr ausgestreckte Hand. Denn Indonesien wartet nicht auf Europa – hinter Deutschland und der EU stehen genug andere Partner Schlange.

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