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Der Söldnerchef Jewgeni Prigoschin hat den Vormarsch seiner Truppen auf die russische Hauptstadt Moskau nach eigenen Angaben gestoppt.

© dpa/Uncredited

Update

Wagner-Aufstand: BND informierte Kanzleramt offenbar am Freitagabend

Die US-Regierung und sogar Kremlchef Putin sollen den Söldneraufstand kommen gesehen haben. In Deutschland wurde man von den Vorfällen in Russland wohl überrascht.

| Update:

Der Bundesnachrichtendienst soll wesentliche Ressorts der Bundesregierung erst über den Aufstand der Wagner-Truppen informiert haben, als diese schon Kurs auf die russische Stadt Rostow am Don genommen hatten. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf eigene Quellen. Demnach sei das sich anbahnende Ereignis in einem vertraulichen Briefing am Freitagmorgen im Verteidigungsministerium noch kein Thema gewesen. Das Kanzleramt habe der BND erst am Freitagabend informiert, berichtet das Magazin weiter.

Am Wochenende hielt die Söldnertruppe von Jewgeni Prigoschin kurzzeitig die grenznahe Stadt besetzt und rückte bis auf 200 Kilometer in Richtung Moskau vor. Auf ihrem Weg sollen sie mehrere Flugobjekte der russischen Luftwaffe abgeschossen haben, mehrere Menschen kamen demnach ums Leben.

Dass der deutsche Auslandsgeheimdienst BND von dem sich anbahnenden Aufstand in Russland überrascht wurde, soll auch der Lagebericht der Behörde am Samstagabend gezeigt haben, berichtet der „Spiegel“. Teilnehmer einer Telefonschalte schilderten dem Nachrichtenmagazin, ihnen seien hauptsächlich Informationen mitgeteilt worden, über die schon in den Medien berichtet wurde.

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US-Geheimdienst seit Mitte Juni informiert

Anders in Washington: US-Geheimdienste hatten Medienberichten zufolge bereits im Vorfeld Hinweise auf Pläne des russischen Söldnerführers, einen Aufstand gegen die Militärführung in Moskau anzuzetteln.

Geheimdienstvertreter hätten bereits einen Tag vor Beginn des Aufstands Vertreter des Weißen Hauses, des Verteidigungsministeriums und des Kongresses über die Möglichkeit von Unruhen in Russland informiert, berichteten die „Washington Post“ und die „New York Times“ am Samstagabend (Ortszeit).

Erste Hinweise auf ein geplantes Vorgehen Prigoschins und seiner Söldnertruppe Wagner gegen die Militärführung hatten die Geheimdienste der „Washington Post“ zufolge bereits Mitte Juni. Auch Kremlchef Wladimir Putin sei demnach vor dem Aufstand informiert gewesen.

Unklar ist, ob diese Informationen mit dem BND geteilt wurden oder wann. Ein vertraulicher Ausschuss in Berlin soll sich laut „Spiegel“-Bericht am Montag mit dem Thema beschäftigen.

Versäumnisse beim BND

Wie der „Spiegel“ berichtet, ist der Vorfall in Russland nicht das erste Mal, dass der BND von Entwicklungen im Ausland überrascht wurde. Demnach habe man beim Geheimdienst von der Machtergreifung der Taliban 2021 nichts geahnt. Auch der Start des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vergangenes Jahr habe die Geheimdienstler kalt erwischt.

Grund für die Eskalation in Russland war ein Angriff auf ein Militärlager der Wagner-Truppe mit einer „großen Anzahl“ von Toten. Wagner-Chef Prigoschin macht das russische Verteidigungsministerium für die Attacke verantwortlich.

Nach dem angeblichen Angriff auf das Wagner-Lager, den das Verteidigungsministerium in Moskau umgehend dementierte, kündigte Prigoschin einen „Marsch der Gerechtigkeit“ an, um die Verantwortlichen zu bestrafen. Samstagabend hatte der Spuk ein Ende. Nach Verhandlungen mit dem belarussischen Machthaber Lukaschenko begannen die Wagner-Truppen mit dem Rückzug.

Bundesregierung will Vorgänge in Russland nicht bewerten

Die Bundesregierung will den am Wochenende eskalierten Machtkampf nicht bewerten. „Das ist erst mal eine innerrussische Angelegenheit“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in der Bundespressekonferenz in Berlin. „Es war eine ernste Angelegenheit und es ist weiterhin ernst“, ergänzte er. Die Bundesregierung habe „mit hoher Konzentration die Situation beobachtet“.

„Das waren sehr aufregende Stunden, die wir da erlebt haben“, sagte Regierungssprecher Hebestreit. „Aber wir verfügen über keine eigenen Erkenntnisse, die wir hier bereitstellen könnten, was sich da wirklich zugetragen hat.“

Welche Folgen die Ereignisse haben werden, werde sich erst in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zeigen. Hebestreit äußerte sich nicht zu Fragen, ob der russische Präsident Wladimir Putin nun geschwächt sei oder wie instabil die Lage inRussland sei. (Tsp mit dpa/AFP)

Anmerkung der Redaktion: Der „Spiegel“ hat eine frühere Version seines Artikels korrigiert, wonach die Bundesregierung erst am Samstag vom BND unterrichtet worden sei. Nach Darstellung des Magazins war das Kanzleramt schon am Freitagabend informiert worden. Wir haben unseren Text entsprechend angepasst.

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