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Die Polizeipräsenz auf den Straßen von Teheran hat sich deutlich erhöht.

© REUTERS/WANA NEWS AGENCY

Vor dem ersten Todestag von Mahsa Amini: Teheran ist in Alarmbereitschaft

Die iranische Regierung will ein Wiederaufflammen der Proteste verhindern. Der Präsident droht möglichen Demonstranten und erhöht die Polizeipräsenz

Vor dem ersten Todestag der 22-jährigen Mahsa Amini setzt die iranische Regierung auf Härte, um ein Wiederaufflammen der landesweiten Proteste aus dem Herbst 2022 zu verhindern.

Auf den ersten Blick scheint vor dem Jahrestag am Samstag, der auch ein religiöser Feiertag ist, alles ruhig im Großraum der Hauptstadt Teheran. Gedenkveranstaltungen wurden nicht öffentlich angekündigt.

Doch Bewohner sprechen von einer größeren Polizeipräsenz in den Hauptstraßen und einer deutlichen Verlangsamung ihrer Internetverbindungen in den vergangenen Tagen.

Die iranische Kurdin Amini starb am 16. September des vergangenen Jahres nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei in Teheran wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen die strengen Bekleidungsregeln für Frauen im Iran.

Fotos von Mahsa Amini werden weltweit bei Protesten gegen das iranische Regime gezeigt. Hier in Los Angeles.
Fotos von Mahsa Amini werden weltweit bei Protesten gegen das iranische Regime gezeigt. Hier in Los Angeles.

© REUTERS/BING GUAN

Ihr Tod löste monatelange Demonstrationen im ganzen Land unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ aus. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen wurden hunderte Menschen getötet, darunter auch Sicherheitskräfte. Sieben Männer wurden hingerichtet.

Kein Vorfall in der Geschichte der Islamischen Republik hat einen solchen Keil zwischen das System und das Volk getrieben.

Fajjas Sahed, Professor für zeitgenössische Geschichte

Präsident Ebrahim Raisi sprach am Dienstag in einem Fernsehinterview eine Warnung aus: „Diejenigen, die vorhaben, Mahsa Aminis Namen zu missbrauchen, ein Agent von Ausländern zu sein, Instabilität im Land zu schaffen – wir wissen, was mit ihnen geschehen wird.“

Die Sicherheits- und Geheimdienste „beobachten wachsam“ mögliche Protestaktionen in Zusammenhang mit dem Jahrestag, erklärte kürzlich der stellvertretende Justizchef Sadek Rahimi.

In der vergangenen Woche legten die iranischen Behörden mindesten fünf Internetseiten still und verhafteten die Betreiber wegen Vorwürfen, zum Jahrestag „Krawalle zu organisieren“.

Die Protestwelle des vergangenen Jahres stellte Teheran vor eine große Herausforderung. Mit westlichen Ländern steht das Land zudem wegen seines Atomprogramms über Kreuz, der Iran ist mit Sanktionen belegt.

„Kein Vorfall in der Geschichte der Islamischen Republik hat einen solchen Keil zwischen das System und das Volk getrieben wie der Tod von Mahsa Amini“, sagt Fajjas Sahed, Professor für zeitgenössische Geschichte. Er glaube, dass die Regierung in Teheran sich zur Eindämmung „nicht allein auf Sicherheits- und repressive Maßnahmen verlassen kann“.

Der Ayatollah beschuldigt ausländische Regierungen

Viele Menschen „sind immer noch von den Ereignissen des vergangenen Jahres traumatisiert“, sagt der reformorientierte Aktivist Mohammed Sadegh Dschawadi-Hessar aus der Stadt Maschhad im Nordosten des Iran. Bei den Demonstrationen wurden tausende Menschen festgenommen.

Im Februar erklärte das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, die Unruhen für beendet sowie die Niederlage des vom „Feind“ angezettelten „Komplotts“. Damit bezog er sich auf die westlichen Regierungen und iranischen Oppositionsgruppen im Exil, die die Demonstrationen unterstützten.

Die Regel, nach der Frauen im Iran ihre Haare und ihren Hals bedecken müssen, besteht seit der Zeit kurz nach der islamischen Revolution im Jahr 1979. Doch mögen die Proteste von 2022 auch abgekühlt sein - viele Iranerinnen, besonders in Teheran, missachten die strenge Bekleidungsordnung zusehends.

„Der bemerkenswerteste Effekt der Bewegung Mahsa Amini ist, dass die iranische Gesellschaft bunter und lebhafter geworden ist“, sagt Sahed. Die Kleidung der Frauen habe sich stark verändert und sei auch farbiger geworden. (AFP)

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