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Ein von Russland unterstützter Separatistensoldat (r) begleitet eine Gruppe von ukrainische Kriegsgefangene in der Nähe des Kontrollpunktes Horliwka, Ostukraine, bei einem Gefangenenaustausch (Archivbild).

© picture alliance/dpa/AP

Verkauf an Tschetschenen: Russland betreibt angeblich „Schwarzmarkt“ für ukrainische Kriegsgefangene

Einem Bericht der „Times“ zufolge behandelt Russland seine ukrainischen Gefangenen wie eine Ware. Sie sollen an die Tschetschenen-Miliz verkauft worden sein, die sie für einen eigenen Gefangenenaustausch nutzte.

Eine tragische Wahrheit in Zusammenhang mit Kriegen lautet, dass dort regelmäßig Soldaten entmenschlicht werden. Das passiert auf unterschiedliche Arten, etwa durch Folter gefangener Kombattanten. Doch im Ukrainekrieg gibt es offenbar noch andere Formen der Entmenschlichung: Es geht um den Verkauf der Gefangenen durch Russland. Das jedenfalls legt ein Artikel der britischen Zeitung „The Times“ nahe, der im Lagebericht des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) aufgegriffen wurde.

Zitiert wird ein Sprecher der ukrainischen Koordinationsstelle für die Behandlung von Kriegsgefangenen, der behauptet, dass tschetschenische Milizen gefangene Ukrainer von der russischen Armee kaufen würden. In den ersten Monaten des Krieges kämpften diese Truppen, die dem Machthaber der russischen Teilrepublik Ramsan Kadyrow unterstehen, an der Front des Ukrainekriegs. Inzwischen haben sie sich dem ISW zufolge ins von Russland besetzte Hinterland zurückgezogen.

Ukrainische Soldaten als Ware

Warum kaufen die Truppen Kadyrows, der wegen seiner Bündnistreue und Menschenrechtsverletzungen auch als „Putins Bluthund“ bezeichnet wird, ukrainische Soldaten? Nach Darstellung der ukrainischen Quelle im „Times“-Bericht sind die verkauften Männer ein Mittel zum Zweck. Den Tschetschenen gehe es darum, im Austausch eigenen Soldaten freizubekommen, die von der ukrainischen Armee gefangengenommen wurden.

Ramsan Kadyrow, Machthaber der russischen Provinz Tschetschenien, spricht vor etwa 10.000 Soldaten in der tschetschenischen Regionalhauptstadt (Archivbild vom 29.03.2022).
Ramsan Kadyrow, Machthaber der russischen Provinz Tschetschenien, spricht in der tschetschenischen Regionalhauptstadt (Archivbild vom 29.03.2022).

© Uncredited/AP/dpa

Als mögliche Begründung wird von der „Times“ darauf verwiesen, dass die tschetschenischen Milizen aufgrund ihrer Distanz von der Front nicht in der Lage seien, Ukrainer festzunehmen und auszutauschen.

Detailliert geschildert wird der Fall eines inzwischen in die Heimat zurückgekehrten, 41-jährigen ukrainischen Soldaten. Nach seiner Gefangennahme durch die Russen und den Verkauf an Kadyrows Truppe sei er dort sogar vergleichsweise freundlich aufgenommen worden, auch das gehört zum Bild. Es entsteht der Eindruck einer korrekten medizinischen Versorgung des Schwerverletzten in einem Krankenhaus der tschetschenischen Hauptstadt.

Russlands zynischer Umgang mit Kriegsgefangenen

Der Bericht über den Verkauf von Kriegsgefangenen passt jedoch trotzdem in das typische Muster eines unmenschlichen Umgangs der russischen Armee mit ihren Gefangenen. Darüber kann die medizinisch wie menschlich womöglich angemessene und gute Behandlung des 41-Jährigen in Tschetschenien nicht hinwegtäuschen.

Die „Times“ schreibt in ihrem Bericht, dass es in der Genfer Konvention zwar kein ausdrückliches Verbot des Handels mit Kriegsgefangenen gebe. Doch diese Praxis verstoße wahrscheinlich gegen die Klausel, dass „keine besondere Vereinbarung die Lage der Kriegsgefangenen beeinträchtigen darf“.

Ohnehin sind zahlreiche andere Verstöße gegen die Genfer Konvention durch Russland dokumentiert. Dazu zählt neben Folter offenbar auch, ukrainische Gefangene als menschliche Schutzschilde im Krieg einzusetzen.

Darüber berichtete der US-finanzierte Sender „Radio Liberty“ im Dezember 2023. Er war im Besitz eines Drohnenvideos aus der Region Saporischschja, das eine zynische Aufklärungstaktik der russischen Armee nahelegt. Sie besteht offenbar darin, ukrainische Gefangene zum eigenen Schutz vor sich herzutreiben – auch damit sie anstelle von Putins Soldaten auf Minen treten. Dabei könnte es sich um einen Verstoß gegen die Genfer Konventionen handeln.

Auch die Vereinten Nationen werfen Russland vor, beim Krieg in der Ukraine eine große Zahl von Kriegsverbrechen begangen zu haben. Sie betrifft Ukrainer unabhängig davon, ob sie als Zivilisten oder als Soldaten unter dem Krieg zu leiden haben. Es geht unter anderem um Tötungen, Folter, Vergewaltigungen und die Verschleppungen von Kindern aus der Ukraine nach Russland.

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