zum Hauptinhalt
Ein zerstörtes Gebäude in der Region Luhansk.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Alexander Reka

Ukraine-Invasion Tag 758: Die „Weißen Engel“ vom Donbass

Russland räumt erstmals „Kriegszustand“ ein, Ukraine treffen schwerste russische Raketenangriffe seit Monaten. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Der „Kriegszustand“, in dem Kremlsprecher Dmitri Peskow Russland heute erstmals offiziell wähnte, ist in der Ukraine seit Februar 2022 allgegenwärtig. Besonders im Donbass, dessen angebliche „Befreiung“ Kremlchef Wladimir Putin zu Beginn seiner sogenannten „militärischen Spezialoperation“ als Vorwand nahm, seine Soldaten ins Nachbarland zu schicken. Doch das Leben wäre für die Menschen vor Ort in der Ostukraine noch viel aussichtsloser ohne Helfer wie den „Weißen Engeln“.

Diese sind eine Spezialeinheit der ukrainischen Polizei in der Region Donezk und kehren regelmäßig mit gepanzerten Fahrzeugen in die hochgefährlichen „roten Zonen“ zurück, die direkt an der Front liegen. Das berichtet unter anderem der „Kyiv Independent“ (Quelle hier). Demnach bringen die Polizisten humanitäre Hilfe dorthin, kümmern sich um Verletzte und nehmen Bewohner mit, die sich zur Flucht entscheiden, – oder auch die zurückgebliebenen Toten.

Valeriia Chernikova und Dmytro Bilenets sind Anfang März, kurz vor dem Internationalen Frauentag, begleitet von „Kyiv Independent“ in Torske unterwegs, rund 60 Kilometer nördlich von Bachmut. An diesem Tag gibt es niemanden, der den Ort verlassen will. Stattdessen gehen die beiden Polizisten von Haus zu Haus und verteilen Essen sowie Geschenke für den Feiertag an die Bewohner.

Nur eine Handvoll ältere Bewohner ist in Torske geblieben, das vor dem Krieg rund 700 Einwohner hatte. Einer von ihnen, Serhii, berichtet dem Portal, dass er von der humanitären Hilfe und dem, was er in seinem Garten ernte, abhängig sei, um seine dreiköpfige Familie zu ernähren. Kurz nach Kriegsbeginn seien sie nach Kiew geflohen, hätten dort aber Schwierigkeiten, Jobs zu finden – und seien deshalb zurückgekehrt.

Insgesamt fünf Teams mit ortskundigen „Weißen Engeln“ gibt es seit Dezember 2022 in der Region. Nach eigenen Angaben haben sie bereits 6500 Menschen evakuiert, darunter mehr als 700 Kinder. Eine Leistung, die auch in Russland registriert wird.„Das sind professionelle Kindesentführer, die von der Polizei unterstützt werden“, sagte die stellvertretende Sprecherin des russischen Parlaments im Sommer 2023 über die „Weißen Engel“. Sie warf sogar den USA und Großbritannien vor, an diesem „Menschenhandel“ mitzuwirken.

Chernikova, die Polizistin aus Torske, die ein „Weißer Engel“ seit Tag eins ist, nennt die Vorwürfe „unfassbar“. Sie allein hat in der Region nach eigener Aussage schon mehr als 100 Erwachsene und 40 Kinder evakuiert. Und solange der „Kriegszustand“ andauert, werden noch einige dazukommen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Zwei Jahre nach Beginn des Angriffs auf das Nachbarland nutzt nun auch der Kreml das Wort „Krieg“. Nur juristisch handle es sich weiter um eine „militärische Spezialoperation“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in einem Interview. Mehr hier.
  • Die EU hat fünf Wochen nach dem Tod des Kremlkritikers Alexej Nawalny Sanktionen gegen 33 Personen aus Justiz und Politik in Russland in Kraft gesetzt. Symbolisch wurden zudem die zwei Strafkolonien, in denen Nawalny zuletzt inhaftiert war, auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Mehr hier.
  • Rund 1,65 Millionen Ukrainer sind derzeit in Deutschland registriert. Damit stieg die Zahl zum Stichtag 12. März im Vergleich zum vergangenen Jahr um rund 250.000 Menschen an, wie der „Spiegel“ unter Bezug auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums an den CDU-Abgeordneten Alexander Throm berichtet. Mehr hier.
  • Bei den seit Monaten schwersten russischen Raketenangriffen auf die ukrainische Energieversorgung wurde am Freitag unter anderem eine Stromleitung zum Atomkraftwerk Saporischschja gekappt. Die Hochspannungsleitung Dniprowskaja sei am Morgen ausgefallen, teilte die Leitung des vom russischen Militär besetzten Kraftwerks mit. Mehr hier.
  • Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer fordert einen schnellen Aufbau einer Raketenabwehr gegen mögliche Bedrohungen aus Russland. „Wir haben fünf bis acht Jahre Zeit. In diesem Zeitraum müssen wir eine Raketenabwehr aufbauen. Das ist ohne Alternative“, sagte Breuer der Funke Mediengruppe. Mehr hier.
  • Die USA haben die Ukraine einem Bericht zufolge aufgefordert, die Angriffe auf die russische Energieinfrastruktur einzustellen. Wie die „Financial Times“ berichtet, hat die Regierung in Washington Kiew gewarnt, dass die Drohnenangriffe die weltweiten Ölpreise in die Höhe treiben und Vergeltung provozieren könnten. Mehr in unserem Newsblog.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet, dass die Zinsen aus eingefrorenem russischem Vermögen schnell für Waffenkäufe für die Ukraine verwendet werden können. „Wir haben die rechtliche Grundlage bereits geschaffen. ... Da die (Zinsen) ja verfügbar sind und nicht gesucht werden müssen und man weiß, wo sie sind, geht es wohl schnell“, sagte Scholz am Freitag in Brüssel nach Abschluss des EU-Gipfels. 
  • Die Ukraine erhält eine weitere Finanzspritze des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Exekutivdirektorium habe eine erneute Überprüfung des Hilfsprogramms in Höhe von 15,6 Milliarden Dollar abgeschlossen und damit der Ukraine ermöglicht, weitere 880 Millionen Dollar abzuheben, teilte der IWF mit. 
  • Der Kommandeur des ukrainischen Heeres hält eine russische Offensive im Sommer für möglich. Die russischen Streitkräfte seien dabei, „eine Gruppe von mehr als 100.000 Personen zusammenzustellen“, sagte General Oleksander Pawljuk am Freitag im staatlichen ukrainischen Fernsehen. 
  • Die EU will bislang weitgehend zollfrei aus Russland eingeführtes Getreide mit hohen Abgaben belegen. „Die abschreckend hohen Zölle werden die Einfuhr dieser Produkte unrentabel machen“, betonte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis am Freitag in Brüssel. 
  • Wegen der westlichen Sanktionen mangelt es Russland nach britischer Einschätzung an Flugzeug- und Raketenteilen. „Es besteht eine realistische Möglichkeit, dass die monatelange Pause bei Angriffen mit Langstreckenmaschinen auf Probleme bei der Verwaltung und Planung der Flugzeugflotte zurückzuführen war“, teilte das britische Verteidigungsministerium am Freitag mit. 
  • Der russische Geheimdienst FSB hat Berichten zufolge in Moskau sieben Menschen festgenommen, denen Verbindungen zu pro-ukrainischen Kämpfern vorgeworfen werden. „Die sieben festgenommenen Einwohner Moskaus unterhielten Kontakte zum Russischen Freiwilligenkorps, das als Teil der ukrainischen Armee agiert“, teilte der FSB am Freitag nach Angaben staatlicher Nachrichtenagenturen mit. 
  • Die Zustimmung der Deutschen zu Waffenlieferungen an die Ukraine ist weiterhin hoch. 59 Prozent finden sie laut ZDF-Politbarometer richtig, 35 Prozent lehnen sie ab. Damit sind die Werte weitgehend stabil zu den Vorwochen. 
  • China sieht nach wie vor große Differenzen zwischen Moskau und Kiew mit Blick auf mögliche Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs. „Alle Parteien erkennen die Gefahr, dass sich die derzeitige Situation weiter verschlechtern könnte“, sagte Chinas Sonderbeauftragter für die Ukraine, Li Hui. Dennoch bestehe weiterhin eine „große Kluft zwischen ihnen in der Frage der Friedensgespräche“. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false