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Ein ukrainischer Soldat in der Region Donezk.

© REUTERS/stringer

Ukraine-Invasion Tag 695: Kiew muss sich jetzt schon auf eine Gegenoffensive für 2025 vorbereiten

Russland meldet Brand in Öllager nach ukrainischem Drohnenangriff, Ukraine baut Stahlbunker zum Schutz von Soldaten. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Knapp einen Monat, bevor sich der Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine zum zweiten Mal jährt, sind die ukrainischen Aussichten auf weitere Rückeroberungen düster. Die Hoffnung, Russland mit einer Gegenoffensive entscheidend zu schwächen, ist zum jetzigen Zeitpunkt verflogen.

Stattdessen scheint sich Kiew darauf vorzubereiten, ein Verschieben der Front zu seinen Ungunsten hinauszuzögern. Ein westlicher Offizieller, mit dem die US-Zeitung „Financial Times“ gesprochen hat, glaubt, dass keiner Seite in diesem Jahr ein bedeutender Durchbruch gelingen kann (Quelle hier).

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte im Dezember bereits gesagt, dass eine „neue Phase“ des Kriegs begonnen hat und befahl seinen Truppen, die Verteidigungsstellungen an der rund 1000 Kilometer langen Front zu verstärken.

Der westliche Offizielle geht davon aus, dass es bei den Ukrainern auf eine Strategie der „aktiven Verteidigung“ hinausläuft. Dies würde bedeuten, dass Kiew die jetzigen Verteidigungspositionen hält und vereinzelt nach Schwachstellen in der russischen Defensive sucht, um diese mit weitreichenden Luftangriffen zu treffen. Das würde der Meinung des Offiziellen zufolge die Möglichkeit schaffen, die Truppen in diesem Jahr für eine weitere Gegenoffensive auszubilden, die dann 2025 stattfinden könnte.

Allerdings kann das nur gelingen, wenn die westliche Unterstützung nicht nachlässt. Insbesondere Munition braucht die Ukraine dringend, um sich überhaupt dauerhaft verteidigen zu können. Die Blicke sind diesbezüglich seit Wochen auf die USA gerichtet, wo eine Übernahme des Weißen Hauses durch die Republikaner eine Katastrophe für Kiew bedeuten dürfte. Schon für US-Präsident Joe Biden gibt es große Probleme durch die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus.

„Wir haben nun einen Kipppunkt erreicht. Entweder wird die Ukraine genügend Kampfkraft erhalten, um Russland zurückzuschlagen, oder sie beginnt zu verlieren, weil die nötigen Waffen fehlen“ sagte Fiona Hill, eine Russland-Expertin, die als nationale Sicherheitsberaterin im Weißen Haus gearbeitet hat, der US-Zeitung „Politico“ (Quelle hier). Sie ist sich sicher: Nur durch die massive Unterstützung der westlichen Partner kommt die Ukraine bislang überhaupt zu Erfolgen. Sie schlussfolgert daher: „Die Waffenlieferungen werden entscheiden.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Eine ukrainische Drohne hat nach russischen Angaben ein Feuer in einem Öllager in der Region Brjansk ausgelöst. Nach ersten Erkenntnissen habe es keine Verletzten gegeben, erklärte der Gouverneur der Region, Alexander Bogomans, am Freitag auf Telegram. Später teilte er mit, es seien vier Tanks in Brand geraten. Mehr im Newsblog.
  • Im Prozess um den tödlichen Bombenanschlag auf einen bekannten russischen Militärblogger hat die Staatsanwaltschaft am Freitag eine Haftstrafe von 28 Jahren für die Angeklagte gefordert. Der Staatsanwalt habe das Gericht aufgefordert, die 26-jährige Darja Trepowa schuldig zu sprechen und sie zu 28 Jahren Haft in einer Strafkolonie zu verurteilen, teilte die Justiz in St. Petersburg mit.
  • Die Ukraine hat den Westen aufgefordert, mehr zur Eindämmung der russischen Waffenproduktion zu tun und Schlupflöcher bei der Lieferung einzelner Komponenten zu schließen. „Einigen Daten zufolge stammen 95 Prozent der kritischen ausländischen Komponenten, die in den in der Ukraine zerstörten russischen Waffen gefunden wurden, aus westlichen Ländern“, erklärte Außenminister Dmytro Kuleba bei X.
  • Die Metinvest-Gruppe, die dem ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow gehört, hat mit der Produktion von unterirdischen Kommandoposten aus Stahl begonnen, die Soldaten vor Beschuss schützen soll. Das teilte die ukrainische Armee mit. Das erste Hauptquartier aus Stahl wurde demnach bereits an die ukrainischen Streitkräfte geliefert und in einem der am meisten umkämpften Gebiete an der Frontlinie installiert. 
  • Russland greift die Ukraine offenbar auch mit Jahrzehnte alten Raketen an. „Eine seltene vier Tonnen schwere P-35 Anti-Schiffs-Rakete aus den 60er Jahren wurde in der Nähe von Odessa abgeschossen“, wie der Direktor des Informations- und Beratungsunternehmens Defense Express, Serhiy Zgurets, mitteilte. Nach einer Analyse sei man zu dem Schluss gekommen, dass dies der erste Fall eines Einsatzes der 1962 entwickelten P-35-Rakete durch Russland ist. 
  • Die Lage in der Region Lyman-Kupjansk ist weiterhin angespannt. Russland habe im Laufe des Donnerstags fast 800 Artillerieangriffe an dem Frontabschnitt im Osten der Ukraine durchgeführt, wie Wolodymyr Fitio, Leiter des Dienstes für Öffentlichkeitsarbeit des Kommandos der Landstreitkräfte, am Freitag am Telefon mitteilte.
  • Mit emotionalen Worten haben die beiden ukrainischen Tennisspielerinnen Marta Kostjuk und Lessia Zurenko die Welt daran erinnert, dass der russische Angriffskrieg in ihrer Heimat noch lange nicht zu Ende ist. „Der Krieg ist immer noch da. Es sterben immer noch jeden Tag Menschen“, sagte Kostjuk am Freitag bei den Australian Open.

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