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Gemeinsames Kampftraining von russischen und belarussischen Soldaten auf einem Truppenübungsplatz (Symbolbild)

© IMAGO/ITAR-TASS/Russian Defence Ministry Press Office/Uncredited

Ukraine-Invasion Tag 322: Wie Russland seine Taktik verändert hat

Selenskyj bürgert prorussische Abgeordnete aus. Putin bezeichnet Situation in annektierten Gebieten als schwierig. Der Überblick am Abend.

Russland könnte seinen ersten militärischen Erfolg seit längerer Zeit verbuchen. Keinen entscheidenden sicherlich, aber immerhin. So verkündeten Wagner-Söldner am Dienstag, dass die Kleinstadt Soledar im Donbass in ihre Hände gefallen sei. Von Bedeutung ist die Ortschaft, weil sie in der unmittelbaren Nähe von Bachmut liegt, das russische Truppen seit dem Sommer erfolglos einzunehmen versuchen. Der Ring um Bachmut wird also enger.

Zwar wollen sich die Ukrainer in Soledar noch nicht geschlagen geben und kündigen an, weiter um die Stadt kämpfen zu wollen. Doch ein Rückzug scheint nur eine Frage der Zeit. Am Dienstag hatten die russischen Truppen nachweislich schon das Stadtzentrum erreicht.

Am Kampf um Soledar wird auch die veränderte Strategie der Russen deutlich. Wie die Ukraine- und Russland-Experten Michael Kofman und Rob Lee erklären, macht Russland seinen Mangel an Munition und Gerät inzwischen mit schierer Masse an Soldaten wett. Russische Soldaten rennen über Felder und versuchen, die Schützengräben der Ukrainer zu stürmen.

Werden sie erschossen, folgt die nächste „menschliche Welle“, wie ein ukrainischer Soldat kürzlich erklärte. Die Angreifer steigen dann über die Leichen ihrer Kameraden. Der Militärexperte Gustav Gressel brachte das Vorgehen auf folgende Formel: Putin hofft, dass er mehr Männer hat als die Ukraine Kugeln.

Wie weit die neue Taktik jenseits des Teilerfolgs in Soledar reicht, ist allerdings fraglich. Schon im Sommer hatte sich die russische Armee bei ihrem Sturm auf die Zwillingsstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk in der Region Luhansk so große Verluste eingehandelt und so viel Munition und Gerät verbraucht, dass Offensiven in den Wochen danach unmöglich wurden. Die Lehre damals: Für die Ukraine mag die eine Schlacht verloren sein, der Krieg noch lange nicht.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Der russische Ex-Geheimdienstoffizier Igor Girkin hat nach Angaben des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) seine Kritik an der Kriegsführung Moskaus in der Ukraine verschärft. Der ehemalige Separatistenführer habe angedeutet, dass er eine Amtsenthebung von Präsident Wladimir Putin unterstütze, schrieb die Denkfabrik. Mehr hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vier prorussische Parlamentsabgeordnete ausgebürgert. „Wenn Volksvertreter beschließen, nicht dem ukrainischen Volk zu dienen, sondern den Mördern, die in die Ukraine gekommen sind, dann werden unsere Schritte angemessen sein“, sagte er. Mehr dazu hier.
  • Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Lage in den völkerrechtswidrig annektierten Gebieten der Ukraine als „schwierig“ beschrieben. „In einigen Gebieten dauern Kampfhandlungen an“, fügte Putin bei einem Gespräch mit Regierungsvertretern hinzu. Dies und weiteres in unserem Newsblog.
  • Polen ist im Rahmen einer internationalen Koalition zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine bereit. Das sagte der polnische Präsident Andrzej Duda bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda im westukrainischen Lwiw. 
  • Russland muss sein Botschaftspersonal in Estland um knapp die Hälfte reduzieren. Das Außenministerium in Tallinn forderte die Vertretung auf, seine Mitarbeiterzahl auf acht Diplomaten und 15 entsandte Mitarbeiter zu beschränken.
  • Russland und die Ukraine haben sich nach russischen Angaben auf einen erneuten Gefangenenaustausch verständigt. Es gehe um den Austausch von 40 Gefangenen, sagt die russische Menschenrechtskommissarin Tatjana Moskalkowa nach einem Treffen mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Lubinez in der Türkei. 
  • Kasachstan hat nach Angaben der Regierung die Erlaubnis Moskaus erhalten, die russische Pipeline-Infrastruktur für den Erdölexport nach Deutschland zu nutzen. „Die mündliche Bestätigung haben wir“, sagte Kasachstans Energieminister Bolat Aktschulatow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge.
  • Britische Geheimdienste halten russische Angriffe vom Boden des verbündeten Landes Belarus auf die Ukraine für unwahrscheinlich. Bei der Verlagerung russischer Militärhubschrauber und der Stationierung von Truppen in Belarus handele es sich wohl tatsächlich um Training, nicht um die Vorbereitung einer Offensive, hieß es.
  • Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat nach ihrem Besuch in der ostukrainischen Stadt Charkiw die Notwendigkeit „weiterer Panzerlieferungen“ unterstrichen. Dies sei nötig, damit weitere von der russischen Armee besetzte Orte befreit werden könnten, sagte sie in den ARD-„Tagesthemen“.

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